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Der amerikanische Schriftsteller Richard Russo, 72

© Elena Seibert/Dumont Literaturverlag

Richard Russos Roman "Mittelalte Männer": Ironie ist ein guter Panzer

Luxusvergnügen: Richard Russo erhebt in seinem Roman „Mittelalte Männer“ die Ironie und eine fein polierte Haltungslosigkeit zum Maß einiger Dinge.

William Henry heißt der Held von Richard Russos Roman „Mittelalte Männer“ – genannt aber wird er „Hank“ Devereaux Jr.. Oder auch nur: „Lucky Hank“. Denn egal, was er anstellt – am Ende scheint es immer gut auszugehen für ihn, so wirkt es zumindest von außen.

Hank ist fünfzig Jahre alt, glücklich verheiratet und lebt in gesicherten Verhältnissen: Als Fachbereichsleiter des englischen Instituts an einer unbedeutenden Universität in Pennsylvania hat er eine Anstellung auf Lebenszeit.

Gewitzt, wie er ist, hat er sich seinerzeit früh das beste Grundstück in einem neu erschlossenen Baugebiet gesichert. Nun thront er buchstäblich und in mehrfacher Hinsicht über den Köpfen seiner Kollegen. Hanks hervorstechende Eigenschaft ist seine unerschütterliche Ironie.

Sie macht Russos 1997 im Original unter dem Titel „Straight Men“ veröffentlichten Roman immer wieder zu einem Vergnügen.

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„Mittelalte Männer“ (Aus dem Amerikanischen von Monika Köpfer. Dumont Verlag, Köln 2021. 608 S., 26 €.) ist voll von skurrilen Szenen, die durch die elegante Formulierungskunst und den subtilen Witz des Ich-Erzählers noch zusätzlich an Charme gewinnen. Richard Russo ist ein Spezialist für die schmale Gratwanderung zwischen Komik und Tragik.

Die Helden seiner zumeist umfangreichen Romane sind tatsächlich überwiegend jene mittelalten Männer. Es sind Menschen, die sich in Umschlagsmomenten ihres Lebens befinden. Ihre Defizite liegen offen zutage. Russos Kunst besteht darin, seine unperfekten Helden mit Sympathie und empathischem Blick zu schildern, ohne sie zu verharmlosen.

Hat Russo sich seinen in späteren Büchern akribisch der Soziologie und den Funktionsmechanismen amerikanischer Kleinstädte gewidmet, so ist der Schauplatz von „Mittelalte Männer“ der Mikrokosmos eines College, dessen satirisches Potential Russo genüsslich, manchmal aber auch allzu gründlich ausschöpft.

Distanz als lebensrettendes Distinktionsmerkmal

Dass Hanks Ironie in Wahrheit auch ein Panzer ist, hinter dem er sich in rhetorischer Vollendung verschanzt und mit deren Hilfe er seine Lebenstraurigkeit abfedert, begreift man schnell. Probleme hat er genug: Seine Tochter ist verschuldet, ihre Ehe steht auf der Kippe.

Zweifel an sich selbst setzen immer dann ein, wenn Hank einmal allein ist. Zumeist auf der Toilette. Dann ist auch seine Prostata ein Thema, vielleicht ein wenig zu oft und zu ausgiebig. Angst vor Redundanz zeigt Richard Russo in diesem Buch gewiss nicht.

Das Verhältnis von Hank zu seinen Eltern ist stets ein untergründig mitlaufendes Thema dieses Romans. Hanks Vater ist ein berühmter Literaturwissenschaftler, der Hanks Mutter für eine jüngere Frau verlassen hat. Plötzlich ist er wieder da, ohne den alten Glanz, aber in der immergleichen, distinguierten Distanz zu seinem Sohn.

Hank kommt zu einer späten Einsicht, dass eben diese Distanz ein lebensrettendes Distinktionsmerkmal sein kann. Das markiert „Mittelalte Männer“ als historischen Roman. In einer Gegenwart, in der Wut und Empörung zu positiv konnotierten Begriffen geworden sind und Ironie als Beschwichtigungsinstrument der herrschenden Klasse diskreditiert wird, ist die fein polierte Haltungslosigkeit dieses Romans ein luxuriöses Vergnügen.

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