
© Maurizio Gambarini
Richters neues Stück an der Schaubühne: Stell dir vor, es ist Theater und keiner geht hin
Falk Richter erzählt in „Hannah Zabrisky tritt nicht auf“ von einer Schauspielerin, die sich verweigert. Im Gespräch mit dem Regisseur über sein neues Stück und seinen Blick auf Theater.
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Falk Richter ist ein Meister im Konstruieren von Fiktionen, die echt wirken. Dafür hat er sich früher tief in die Sprache von Moderatoren von Musiksendern wie MTV oder auch in den Slang von Unternehmensberatern eingearbeitet.
Immer wieder verfolgte er aber auch autofiktionale Ansätze, etwa in dem Stück „The Silence“, in dem er das Schweigen des Vaters thematisierte. Die neue Produktion an der Schaubühne, „Hannah Zabrisky tritt nicht auf“, beschäftigt sich nun wieder mit einer Figur außerhalb des eigenen Familienkontextes.
„Ich hatte nach ,The Silence’ und auch nach ,In My Room’ einfach Lust, wieder eine fiktionale Geschichte zu schreiben“, erzählt Richter. „Es ist also nicht meine Geschichte, auch nicht die Geschichte von einer Person, die jetzt mitspielt.“
Allerdings spielt die Geschichte im vertrauten Kosmos des Theaters. Hauptfigur ist eine Schauspielerin. Neben weiteren Spielern tauchen eine Autorin, ein Regisseur, eine Performerin und eine Videokünstlerin auf.
„Es sind Leute, die ähnlich arbeiten wie ich, alle an der Schnittstelle zwischen Fiktion und Realität. Für das, was sie machen, bringen sie auch ihr eigenes Leben mit ein. Und oft können sie nicht mehr klar unterscheiden, wo die Grenze zwischen Realität und Fiktion, zwischen Arbeit und Privatem verläuft“, sagt Richter.
Thematisch fängt er die Situation vieler Menschen auf, die anhand der gegenwärtigen Krisen hin- und hergerissen sind zwischen Ratlosigkeit, Verzweiflung und Wut. „Es geht um dieses Gefühl, dass sich die Gesellschaft gerade so stark verändert, so viel Gewissheiten und Sicherheiten wegbrechen und die westlichen Demokratien sich im Eiltempo völlig aufzulösen scheinen.“
Das kulminiert dann in der Frage: „Wie lange macht man immer weiter, als sei alles normal? Und ab wann entscheidet man sich: Da mache ich nicht mehr mit?“
Auch in der Welt des Theaters folgt man bestimmten Regeln, setzt Skripte um. „Aber man könnte die auch umschreiben, wenn man sich das traut“, sagt Richter. Oder gar komplett den Auftritt verweigern.
Wie weit das geht, ob Jule Böwe als Hannah Zabrisky tatsächlich den Auftritt verweigern wird, werde gegenwärtig im Probenprozess ausgelotet, meint Richter.
Weil das Schaubühnenpublikum mit der Eintrittskarte das Recht auf eine Show erwirbt, wird es wohl auch dazu kommen. Aber spannend ist natürlich der Prozess, das Ringen um sinnvolles Tun und das Nachdenken über den Akt der Verweigerung.
Inspirieren lassen sich Richter und sein Ensemble von Autorenfilmern der 1960er- und 70er-Jahre wie Michelangelo Antonioni und John Cassevetes. Auch David Lynch mit seiner Verschränkung von Realität und Traumwelt ist eine Bezugsgröße.
Immer wieder gehe es dabei um die verschiedenen Wege, Fiktion so herzustellen, dass sie real wirke. „Wann ist vielleicht das Leben sogar intensiver in der Fiktion?“, überlegt Richter.
Viel wird mit Livekameras auf der Bühne operiert. Im Probenprozess ging es auch um Dinge, die die Schauspielerinnen und Schauspieler nachts nicht zur Ruhe kommen lassen. Biografische und autofiktionale Momente enthält „Hannah Zabrisky tritt nicht auf“ dann also doch.
Als geradezu dialektische Gegenposition zum Titel sieht Richter im Weiter-so am Theater, also im Verfertigen von Bühnenstücken, eine gute Gegenkraft zu all den Krisen. „Hier kommen sehr viele Leute zusammen, man tauscht sich aus, gibt sich gegenseitig Energie“, konstatiert er und stellt klar: „Mein Weg ist nicht das Aussteigen.“ Durchaus reizvoll, dass hier ein Autor der von ihm geschaffenen Figur derart deutlich widerspricht.
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