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Welt der Bilder: Christoph Müller in seiner Berliner Wohnung.

© dpa/Arno Burgi

Sammler der Passionen: Zum Tod des Kunstmäzens Christoph Müller

Er liebte die alten Niederländer und die dänische Landschaftsmalerei. Er brannte für das Theater und die Oper und war ein echter Zeitungsmensch. Ein Nachruf

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Wenn man die Treppen hinaufstieg zu seiner Wohnung in Berlin-Mitte, konnte man sich schon auf den Strand, das Meer, die frische Luft freuen. Eine Wohnung unterm Dach – oder vielleicht doch ein Museum? Christoph Müller lebte mit seinen Bildern. In den letzten Jahren hatte es ihm vor allem die Kunst des Janus la Cour angetan, der dem sogenannten Goldenen Zeitalter der dänischen Malerei im 19. Jahrhundert angehörte.

Generöse Geschenke

Christoph Müller hat die Landschaften la Cours gesammelt, die Seestücke, die Bergpanoramen. Ein wenig erinnert der Däne an C. D. Friedrich, aber er atmete freier, man spürt schon die Impressionisten. „Macht der Stille“: Ein schönes Buch über Janus la Cour hat der Berliner Schriftsteller Simon Elson herausgebracht, mit Unterstützung von Christoph Müller. Mäzenatisches zählte zu seinen vielen Leidenschaften.

Er kaufte, er sammelte und gab seine Schätze weiter. Dem Berliner Kupferstichkabinett schenkte Müller 375 Altmeisterzeichnungen und Grafiken. Das Museum in Schwerin bekam 155 Gemälde aus seiner Niederländersammlung, es war die größte Altmeisterschenkung der deutschen Nachkriegszeit. Das Museum in Greifswald erhielt ein umfangsreiches Konvolut dänischer Kunst, darunter mehr als 150 Gemälde.

Verleger und Theaterkritiker

Weitere größere Sammlungsteile schenkte Müller dem Museum Leipzig. Nicht dass er das Interesse an den alten Niederländern verloren hätte. Aber ein Sammler braucht Platz, und er wollte seinen Bildern immer eine gute Bleibe verschaffen. Bei Christoph Müller konnte man sich wohlfühlen, als Kunstwerk, als Mensch.

Seine Laufbahn war in vielerlei Hinsicht besonders. Er wurde 1938 in Stuttgart geboren, den Schwaben hörte man ihm immer an. Anfang der 1960er Jahre kam er nach West-Berlin, war Volontär beim Tagesspiegel und danach einige Jahre Redakteur im Lokalen. 1969 ging er nach Tübingen zurück und übernahm von seinem Vater das „Schwäbische Tagblatt“. Es hat wohl nie einen Verleger und Chefredakteur gegeben, der auch noch Theaterkritiker war.

Und Christoph Müller war ein namhafter Kritiker. Leidenschaftlich, streitbar, immer präsent. In seinem Chefredakteursbüro hing ein Porträt des Dramatikers Samuel Beckett. Das „Schwäbische Tagblatt“ erlebte mit ihm aufregende Zeiten. Der Ruf der linken, engagierten Lokalzeitung reichte weit über das Schwabenland hinaus.

Vor zwanzig Jahren hat Müller seine Anteile am „Tagblatt“ verkauft und ist wieder nach Berlin gekommen. Gab es eine Premiere, in der man ihn nicht im Foyer antraf? Und mit wem sonst konnte man so wunderbar in der Pause streiten, wenn er sich empörte über schlechte Aufführungen und von den großen Peymann-Zeiten in Stuttgart sprach? Dabei war er stets auf Entdeckungen aus und verfolgte die Arbeit junger Regisseure sehr genau.

Christoph Müller war ein Sammler der Passionen. Der Bühne blieb er treu. 1995 starb sein Partner Axel Manthey, ein Bühnenbildner und Regisseur. Mantheys bildstarke Inszenierung des „Traumspiel“ von Strindberg bleibt bis heute in Erinnerung. Christoph Müller liebte die Oper, und die Konzerterlebnisse, die er nicht mehr live verfolgen konnte, holte er sich mit seiner imposanten HiFi-Anlage nach Hause.

Sich mit ihm auszutauschen und das eigene Gedächtnis zu prüfen war ein Vergnügen. Die Gespräche sprangen von Kultur zu Politik. Als Erinnerung an den jüdischen Kunsthistoriker Max J. Friedländer, der vor den Nazis fliehen musste, stiftete Müller 2014 einen nach Friedländer benannten Preis für Kunsthistoriker.

Jener dänische Maler Janus la Cour hatte ein spezielles Talent für Felsen und Gebirge. Und er liebte Italien, schuf dort herrliche Bilder. Vielleicht fühlte sich Christoph Müller deshalb von seiner Kunst so angezogen. Auch er pflegte seine Wurzeln, und es zog ihn fort. Jetzt ist er mit 86 Jahren in Berlin gestorben.

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