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Die Journalistin und das Biest: Megyn Kelly (Charlize Theron) und Fox-Chef Roger Ailes (John Lithgow) mit Gehhilfe.

© Wild Bunch

Sexueller Missbrauch bei Fox News: Die MeToo-Satire „Bombshell“ ist auch eine Retourkutsche für Trump-Fans

2016 erschütterte ein Missbrauchsskandal den rechten Nachrichtensender Fox News. Jetzt spielen Nicole Kidman und Charlize Theron die beiden Whistleblower.

Von Andreas Busche

Der Wolkenkratzer an der 1211 Avenue of the Americas in Midtown Manhattan ist gewissermaßen der Todesstern des amerikanischen Journalismus. Hier befindet sich das Hauptquartier von Rupert Murdochs Medienimperium News Corp: der Nachrichtensender Fox News, das Klatschblatt New York Post, das Wall Street Journal – das gesamte konservative Establishment Amerikas in einem einzigen Gebäude, wie Fox-Starmoderatorin Megyn Kelly (Charlize Theron) auf ihrer Tour zu Beginn von Jay Roachs „Bombshell – Das Ende des Schweigens“ dem Publikum erklärt.

Die Machtstruktur im schwarzen Turm verteilt sich auf zwei Stockwerke, im zweiten sitzt Senderchef Roger Ailes (John Lithgow), sechs Stockwerke über ihm residieren Rupert Murdoch und seine Söhne Lachlan und James. „Die Macht hinter der Macht“, so Theron mit eisigem Lächeln.

Stellenweise wirkt „Bombshell“ wie ein elaborierter Sketch aus „Saturday Night Life“. Man kennt das Personal aus den Nachrichtenkanälen, nur werden sie hier von Darstellern gespielt: der einstige Star des Fox-Morgenprogramms Gretchen Carlson (Nicole Kidman), Wutaggregator und Talkshow-Moderator Bill O’Reilly (Kevin Dorff), Trump-Anwalt Rudy Giuliani (Richard Kind), seit Jahren ein „Experte“ des Senders, die rechten Dreckschleudern Sean Hannity (Spencer Garrett) und Greta Van Susteren (Anne Ramsay), der gemäßigte Chris Wallace (Marc Evan Jackson), die durchgeknallte Fernsehrichterin Jeanine Pirro (Alanna Ubach).

Ailes erhielt mehr Geld als seine Opfer

Das Problem besteht nur darin, dass die Realität einerseits schon so bizarr ist, dass eine Satire kaum noch hinterherkommt – und dass es in „Bombshell“ um ein sehr ernstes Thema geht. In den zwanzig Jahren an der Spitze von Fox News etablierte Roger Ailes eine Machtstruktur des sexuellen Missbrauchs, bis die Vorgänge hinter den Kulissen 2016 von Gretchen Carlson, später unterstützt von Megyn Kelly, öffentlich gemacht wurden. Ein Jahr, nachdem Murdoch ihn gefeuert hatte (dicht gefolgt von dem anderen mächtigen sexual predator Bill O’Reilly), starb Ailes im Alter von 77 Jahren.

Um den Missbrauchsskandal bei Fox News, in 23 bekannten Fällen, richtig einzuordnen, reichen schon ein paar Zahlen: Die Abfindungen, die Ailes und O’Reilly erhielten, lagen deutlich höher als die Summe der Schadensersatzzahlungen an die ehemaligen Fox-Mitarbeiterinnen.

Jay Roch und sein Autor Charles Randolph, der auch am Skript von „The Big Short“ mitgeschrieben hat, versuchen in „Bombshell“ permanent zischen den unterschiedlichsten Tonalitäten und Perspektiven zu wechseln. Adam McKay hat mit „The Big Short“ und „Vice“ die Blaupause für diese Art von Politsatiren geliefert, aber nicht immer ist die Form auch dem Inhalt angemessen. Obwohl Carlson die Enthüllungen um Ailes und Fox News in Gang brachte, führt die prominentere Megyn Kelly als Erzählerin durch „Bombshell“, der die „vierte Wand“ zum Publikum immer wieder durchbricht.

Frauen sind im Sender Einzelkämpferinnen

Im Grunde ist es bedauerlich, dass Hollywood eine starke weibliche Besetzung wie Charlize Theron, Nicole Kidman und Margot Robbie (als karrierebewusste Jungjournalistin Kayla, die einzige fiktive Hauptfigur des Films) nur zusammenkriegt, wenn es um das Thema sexueller Missbrauch geht. Die drei haben nur eine gemeinsame Szene, was auch eine treffende Metapher dafür ist, dass die Frauen bei Fox News nicht auf die Solidarität ihrer Kolleginnen zählen konnten. Theron, Kidman und Robbie stehen zusammen im Fahrstuhl, der sich auf dem Weg nach oben langsam leert. Doch sie haben andere Ziele: Carlson und Kayla wollen zu Ailes in den zweiten Stock (für die eine geht es auf der Karriereleiter abwärts, für die andere aufwärts), Kelly will im achten raus.

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„Bombshell“ spielt den grotesken Sexismus, der schon in der Will-Ferrell-Medienkomödie „Anchorman – Die Legende von Ron Burgundy“ (ebenfalls von McKay, kaum ein Zufall) allgegenwärtig war, mit perplexem Witz aus. Die Art, wie Fox-Männer über Frauen reden, hat sich seit den Siebzigern nicht verändert. Der Titel „Bombshell“, ein Wort mit dem einst blonde Superstars wie Jayne Mansfield und Marilyn Monroe tituliert wurden, beschreibt schon das politische Programm von Roger Ailes, der seine ersten Meriten als Berater von Richard Nixon und Ronald Reagan verdient hatte.

Als „Nostalgiemaschine für ein verlorenes Amerika“, bezeichnet Theron einmal Ailes’ Projekt, in dem den Frauen ihr angestammter Platz zukommt: Selbst die Länge der Röcke war vorgeschrieben, Hosen durften die Moderatorinnen gar nicht tragen. „Fernsehen ist ein visuelles Medium“, meint Lithgow mehrmals (ihm quillt Ailes’ Diabolik aus jeder Pore seiner Fettprothesen). Nur falls man sich wundert, warum die Pulte bei Fox News transparent sind.

Die Definition von "fair und ausgewogen"

Kidman hat als Auslöserin der Enthüllungen eine eher undankbare Stellvertreterinnenrolle. Therons Kelly bekommt als moralische Instanz, die sich zwischen Karriere und Solidarität zu den Kolleginnen entscheiden muss, das meiste Konfliktpotential zugeschrieben. Im republikanischen Vorwahlkampf von 2015 war sie es, die Donald Trump vor der Fernsehnation die unbequemen Fragen über sein Verhältnis zu Frauen stellte (die Retourkutsche war ein Tweet Trumps über Kellys Menstruationszyklus), gleichzeitig muss sie gebetsmühlenartig betonen, dass sie keine Feministin ist. „Fox ist in deiner DNA“, sagt ein Kollege einmal über sie - es ist als Kompliment gemeint.

Die von Margot Robbie gespielte Kayla ist ein Kompositum aus den Geschichten mehrerer Fox-Mitarbeiterinnen. Als „evangelikalischer Millennial“ sieht sie sich bereits vor der Kamera, um für den Sender alter weißer Männer ein ganz neues junges Publikum zu erreichen. Für Ailes hat sie auch gleich eine triftige Definition der Fox-Imagekampagne „Fair und ausgewogen“ parat. Ihre erste Begegnung endet allerdings mit einer traumatischen Erkenntnis: Loyalität bedeutet für den Medienmogul, wie weit eine Frau bereit ist, ihren Rock zu lüpfen.

„Bombshell“ legt selbst immer wieder das Tempo einer breaking news vor, was im Sujet der Mediensatire wohl zwangsläufig angelegt ist. Aber die Showeffekte wirken mitunter opportun. Roachs Häme scheint eher auf das Trump-Lager abzuzielen, als dass er seinen drei Protagonistinnen (und den zahllosen anonymen Betroffenen) gerecht werden will.
In neun Berliner Kinos (auch OmU); OV: Delphi Lux, Rollberg

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