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Szene aus der "Mollath"-Dokumentation.

© Zorro / dpa

Doku zum Fall Gustl Mollath: Sieben verlorene Jahre

Gustl Mollath saß zu Unrecht sieben Jahre in der Psychiatrie und gab mit seiner Geschichte Anlass zu wilden Verschwörungstheorien. Eine Dokumentation entwirft nun das faszinierende Bild eines streitbaren Menschen.

Weil das Vertrauen in die Justiz zu den Grundpfeilern einer Demokratie zählt, wurde Gustl Mollath zum Medienstar. Der Fall des Nürnberger Oldtimer-Restaurators, der zu Unrecht sieben Jahre in der Forensischen Psychiatrie verbrachte, füllte Zeitungen, auch weit jenseits von Bayern. Gab er doch Anlass zur Empörung, gar zu wilden Verschwörungstheorien. Der Fall Mollath degradierte die Person zur Projektionsfläche, galt einigen gar als Beweis für die Verdorbenheit des „Systems“. Die Vorgeschichte: Eine Ehe scheitert, die Frau verklagt den Mann wegen häuslicher Gewalt, er wirft ihr, einer Anlageberaterin, Schwarzgeldgeschäfte vor. Wegen „paranoider Wahnsymptomatik“ und da er „gemeingefährlich“ sei, wird Mollath 2006 in den psychiatrischen Maßregelvollzug eingewiesen. 2013 kommt er frei.

Die Doku, die nun zwei Münchner Filmstudentinnen gedreht haben, trägt den etwas knalligen Untertitel „Und plötzlich bist du verrückt“. Zweieinhalb Jahre lang begleiteten Annika Blendl und Leonie Stade den Fall, sprachen mit Mollaths engstem Freund, mit seinem Anwalt und Journalisten, vor allem aber mit dem heute 58-Jährigen selbst.

Ein faszinierendes Bild eines streitbaren Menschen

Zunächst berichten sie auffallend persönlich, wie sie zu recherchieren und praktisch zeitgleich zu drehen begannen, als Mollath noch in der Psychiatrie saß. Ungewöhnlich nah rückt der Film dann an seine Hauptfigur und entwirft das faszinierende Bild eines streitbaren Menschen. „Wir wollten kein investigatives Stück machen, sondern ein journalistisches Thema in einem Porträt aufarbeiten“, sagt Regisseurin Leonie Stade. Wichtig war ihnen auch ein ästhetisch reizvoller Zugriff – in den TV-Filmen zu dem Fall habe man bereits genug Aktentaschen gesehen, „wenn es um Schwarzgeld ging“. Lieber setzten die Filmemacherinnen auf freiere Motive – so stapft ein Astronaut durch schwarz-weiße Zeitlupenaufnahmen, weil die Mondlandung für Mollath eine zentrale Rolle einnimmt.

Als könnte man dem Gustl doch nie ganz trauen

Der Film entwickelt eine suggestive Kraft, zeigt Sympathie, ohne sich auf Mollaths Seite zu schlagen. Mitunter irritierend starrsinnig erscheint er, dann wieder charmant, immer aber leicht wunderlich. Als er im Sportwagen auf einer Teststrecke seine Runden dreht, schaut Freund Eddie prüfend zu, als könne man dem Gustl doch nie ganz trauen. Von dessen Eigenarten erzählt er dann, von Perfektionismus und Kompromisslosigkeit.

Nach der „Mollath“-Premiere unlängst beim Münchner Filmfest meldeten sich zwei Zuschauer zu Wort. Beide kritisierten, der Film sei zu einseitig – doch sie waren sich uneins, zu wessen Gunsten. Wenn das kein Beleg für die Stärke der Doku ist!

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