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Das Theater Stralsund (links) soll mit den Bühnen von Greifswald (Mitte), Neustrelitz (rechts) und Neubrandenburg zusammengehen.

© dpa

Grütters will deutsche Bühnenlandschaft schützen: Sparmaßnahmen zwingen Theater zur Fusion

Kulturstaatsministerin Monika Grütters will die deutsche Bühnenlandschaft bewahren. In Mecklenburg-Vorpommern könnte sie damit anfangen - denn dort sollen vier Bühnen zu einem einzigen Theater zusammengelegt werden.

Im März fand Monika Grütters im Tagesspiegel deutliche Worte: Die Vielfalt der deutschen Theaterlandschaft, so die seit Dezember amtierende Kulturstaatsministerin, gelte es unbedingt zu schützen. Notfalls auch aktiv seitens des Bundes, ungeachtet der Kulturhoheit der Länder. Wer nämlich glaube, durch Kulturabbau Haushalte sanieren zu können, „der ist auf dem Holzweg“.

Auf genau diesem Weg befinden sich derzeit allerdings die Landesregierungen von Sachsen-Anhalt und Mecklenburg- Vorpommern. Mit Verweis auf den 2019 auslaufenden Solidarpakt rechtfertigen sie drakonische Sparmaßnahmen. Den Theatern in Halle und Dessau wurden Landesgelder in Höhe von jährlich drei Millionen Euro entzogen. Die in Schwerin regierende große Koalition wiederum beschloss, ihre Zuschüsse für die Bühnen bis 2019 nicht zu erhöhen. Was bedeutet, dass die neun geförderten Theater Steigerung bei den Lohn- und Materialkosten aus eigenen Mitteln erbringen müssen, immerhin 12,5 Millionen Euro.

Horrorszenario Theaterfusion

Da die Häuser nach diversen Sparrunden finanziell bereits am Limit arbeiten, geht das nur über Personalabbau. Mithilfe einer Unternehmensberatung macht sich der Schweriner SPD-Kulturminister Mathias Brodkorb zum Vollstrecker dieser Vorgabe. In der vergangenen Woche erfuhren die entsetzten Theatermitarbeiter aus der Zeitung, dass die Unternehmensberater vorschlagen, alle vier Bühnen im östlichen Landesteil zu einer einzigen Institution zu fusionieren. Dabei soll an jedem Standort eine Sparte ihren Sitz haben. In Stralsund würde die Oper stationiert sein, in Greifswald Schauspiel und Ballett. Neubrandenburg wäre der Standort des Konzertorchesters, während in Neustrelitz vom bisherigen Drei-Sparten-Haus ein „Produktionsstandort für Musical/Operette“ sowie eine Bühnenbildbauzentrale samt Fundus übrig bliebe.

Nun hat es ja in Meckpomm schon in der Vergangenheit Theaterfusionen gegeben. Neustrelitz und Neubrandenburg sind ebenso bereits in einer Zwangsehe vereint wie Greifswald und Stralsund. Dennoch soll nun ein Megakombinat entstehen – das weitere 108 Theaterjobs kostet. Wer im Osten von Mecklenburg-Vorpommern danach noch künstlerisch arbeiten darf, wird mehr auf der Straße unterwegs sein, als auf der Bühne zu stehen. Stralsund und Neustrelitz sind 130 Kilometer voneinander entfernt. Wie viel Benzin würde durch die Dauerpendelei jede Saison in die Luft gepustet? Nachhaltigkeit sieht anders aus.

Ein Horrorszenario: Für jede Probe muss eine Sternfahrt veranstaltet werden, da alle beteiligten Kommunen darauf beharren, jeweils einen Teil des Städtebund-Theaters vor Ort zu haben. Was passiert, wenn jemand mal etwas vergisst? Wenn sich kurz vor der „Carmen“-Vorstellung in Greifswald herausstellt, dass die Harfe, oh weh!, noch in Neubrandenburg steht? Mal abgesehen von der Frage, ob sich das Stammpublikum mit so einem zerrissenen Ensemble überhaupt noch identifizieren könnte.

Grütters ist es ernst, doch wie viel Gewicht hat ihr Wort?

„Mir geht es darum, die kulturelle Infrastruktur zu erhalten“, hatte Monika Grütters betont. Denn „die flächendeckende kulturelle Vielfalt ist Deutschlands Markenzeichen.“ So klingen Sonntagsreden. In Mecklenburg-Vorpommern kann die Kulturstaatsministerin jetzt beweisen, wie ernst es ihr mit dem Schutz der weltweit einmaligen deutschen Theaterlandschaft wirklich ist. Und wie viel Gewicht ihr Wort tatsächlich hat. Grütters’ Vorgänger Bernd Neumann protestierte 2013 vehement gegen den Theaterkahlschlag in Sachsen-Anhalt – erfolglos.

Um Brandenburg übrigens muss sich Monika Grütters keine Sorgen machen. Hier sind die Ensembles bereits in den neunziger Jahren weitgehend abgewickelt worden – während gleichzeitig in Brandenburg/Havel, Potsdam und Frankfurt neue Theaterbauten entstanden, zum größten Teil finanziert durch EU-Fördermittel. Von einst sechs Musiktheaterensembles gibt es noch eins, von den Orchestern sind immerhin viereinhalb übrig geblieben.

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