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Ein Ort wie die Uferhallen mit langfristig gesicherten Ateliers ist für die Kunstszene existenziell wichtig.

© Tagesspiegel/Doris Spiekermann-Klaas

Sparpläne in der Berliner Kultur: 3000 Künstler könnten Ateliers und Probenräume verlieren

Die Regierungskoalition will das Arbeitsraumprogramm halbieren. Damit wären tausende Proberäume, Probebühnen, Künstlerateliers in Gefahr.

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Sollten die Kürzungspläne der Regierungskoalition umgesetzt werden, wird es eine Gruppe besonders zu spüren bekommen: die Künstler und Künstlerinnen der Stadt. Theater, Ausstellungshäuser und Tanzbühnen haben weniger Projektmittel zur Verfügung, das heißt weniger Aufträge und Verdienstmöglichkeiten für Künstler, dazu kommen gestrichene Stipendien und Fördermittel. Vor allem aber sind tausende Ateliers und Proberäume bedroht. Die Förderung der Arbeitsräume soll um die Hälfte gekürzt werden.

„Circa 3000 Künstler*innen aus den Sparten Bildende Kunst, Darstellende Künste, Tanz, Musik und Literatur verlieren ihre Arbeits- und Projekträume“, warnt die Kulturraum Berlin gGmbH. „100 weitere geplante Arbeitsräume in Proberaumzentren stehen vor dem Aus.“ Die unter Ex-Kultursenator Klaus Lederer gegründete Organisation Kulturraum Berlin gGmbH (KRB) wurde 2020 ins Leben gerufen, um erschwingliche Arbeitsräume für Künstler aller Sparten bereitzustellen. Jetzt soll die KRB wieder abgeschafft werden. Von rund 24 Millionen Euro Budget sollen 12 Millionen Euro eingespart werden.

Kürzung um 50 Prozent

„Wir verstehen diese Rechnung nicht“, sagt Interims-Prokuristin Laura Raber von der KRB, die dort auch für Kultur und Standortentwicklung zuständig ist. „Allein 15 Millionen Euro sind in Mietverträgen gebunden. Die Kulturraum Berlin gGmbH hält die meisten dieser Mietverträge mit den Immobilieneigentümern und Proberaumanbietern, das sind langfristige Verträge über bis zu zehn Jahre.“ Müssen diese gekündigt werden, drohen Regressforderungen in unkalkulierbarer Höhe. In jedem Fall überstiegen sie die Einsparsumme von 12 Millionen um ein Vielfaches.

„Selbst sehr renommierte Gruppen können sich Probenräume auf dem privaten Markt nicht leisten“, sagt Raber. Auch ein Standort wie die gerettet geglaubten Uferhallen stünde wieder auf dem Spiel, auch dort hält die KRB den Mietvertrag, zunächst mit 20 Jahren Laufzeit. Selbst wenn einige Verträge von der Senatsverwaltung oder einer anderen Organisation übernommen werden könnten, würden die Quadratmeterpreise bei Neuverhandlung eher steigen. Ateliers werden in jedem Fall teurer; für die meisten Berliner Künstler, 73 Prozent haben nur bis zu 1500 Euro pro Monat zur Verfügung, dann unerschwinglich.

Künstler leben ohnehin schon prekär

KRB-Geschäftsführer Dirk Förster gibt der Empörung seines ganzen Teams Ausdruck: „Dieses Kahlschlagszenario ist eine Kampfansage an die Freie Szene und damit an die gesamte Berliner Kulturlandschaft. Wir appellieren daher an alle politisch Verantwortlichen, die Kürzungen abzuwenden. Die räumliche Verdrängung von Künstler*innen ist seit Jahren akut und die Preise am Immobilienmarkt steigen kontinuierlich. Dass weder Alternativen geprüft noch mit den betroffenen Künstler*innen und unserem Expert*innen-Team mögliche Szenarien diskutiert wurden, ist ein fatales politisches Signal.“

Welche organisatorischen Überlegungen stecken hinter den Sparplänen? Niemand scheint es zu wissen. Bei der KRB arbeiten aktuell 22 Personen, sie kümmern sich um Mietverträge, organisieren die Vergabe, verwalten Räume, die auch stunden- und wochenweise an Künstler, Tänzer, Musiker vermietet werden. Wer diese Verwaltungsaufgaben übernehmen soll, wenn die KRB wegfällt oder geschrumpft wird, ist nicht klar. Die gemeinnützige GSE Gesellschaft für StadtEntwicklung, die noch einen Teil der Mietverträge hält, steht als Generalmieterin langfristig nicht zur Verfügung. Ein Zurück auf den Stand von 2019 wird es nicht geben können.

Auch Julia Brodauf und Lennart Siebert, die Atelierbeauftragten im Kulturwerk des Berufsverbands Bildender Künstler*innen (bbk berlin) haben die Kürzungen „mit Schrecken zur Kenntnis genommen“. „Für die Sparte Bildende Kunst sind 50 Prozent Einsparung im Arbeitsraumprogramm fatal. Die Atelierförderung ist für die Bildende Kunst die wichtigste Infrastrukturförderung. Zudem bringt die anvisierte Schließung der KRB organisatorisch das gesamte, eigentlich im Ausbau befindliche, Programm in Gefahr und damit jedes einzelne geförderte Atelier“, so Brodauf.

Der Berufsverband und das Netzwerk freier Berliner Projekträume und -initiativen haben für den 29. November einen Trauermarsch angesetzt. Man will vom Neptunbrunnen am Roten Rathaus an den Museen vorbei zum Brandenburger Tor ziehen. Alle in Schwarz, weil die Vielfalt und Lebendigkeit der gesamten Berliner Kunst- und Kulturszene auf dem Spiel stehen.

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