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Kultur: Spitz auf Kopf

DEUTSCHES THEATERIn „Sein oder Nichtsein“ glänzt Bernd Moss in einer komödiantischen Paraderolle

Der Mann ist erst mal nur Kopf. Segelohren, Riesenzinken, volle Lippen – da fällt sein Körper gar nicht groß auf. Außer, wenn Bernd Moss den Hysteriebogen macht. So wie in Monika Gintersdorfers improvisiertem Zweipersonenstück „7% Hamlet“ in der Box des Deutschen Theaters. Was ein Hysteriebogen ist? Ein bis zum Boden nach hinten überstreckter Körper, der früher als Teil dieser Krankheit betrachtet wurde. Wer sieht, wie Bernd Moss sich mit aufknallendem Hinterkopf in diese groteske Haltung fallen lässt, weiß, dass der Mann keine Furcht kennt. Trotzdem nennt er sich einen Schauspieler des Wortes, nicht des Körpers. „Das war mal anders“, grinst er, „aber jetzt mit 43 ziehe ich mich aus biologischen Gründen auf das Wort zurück und habe beschlossen, ein Typ zu werden.“

Der Typ freut sich gern und hat auch allen Grund dazu. Seit dem Jahr 2000, als ihn Tom Stromberg ans Hamburger Schauspielhaus engagierte und so vom Tingeln über deutsche Provinzbühnen erlöste, lief es bestens für Bernd Moss. Zeitweise war das Gesicht des Schauspielhauses in 13 Stücken einer Spielzeit anzutreffen. Besonders René Polleschs politische Inhalte hatten es ihm angetan. Und Ingrid Lausund entwickelte für ihn gar einen Soloabend namens „Der Weg zum Glück“.

Trotzdem ist der Mann ganz Staunen. Darüber, dass ein in Ennepetal aufgewachsener Junge, die die Schauspielschule in Ulm blöd fand und abbrach, um 1989 nach Berlin zu gehen und dort jahrelang bei Foto Porst und in Kneipen jobbte, tatsächlich ein Schauspieler geworden ist. „Ich denke immer, dass ist ein Irrtum, einmal wirst du enttarnt“, sagt Moss. Halb ironisch, halb ernst, sehr reflektiert. Nervt das nicht als Schauspieler, diese Distanz zum Beruf, zur eigenen Person? Er nickt heftig. „Sei doch einfach mal nur da!", ermahnt er sich oft selbst. Da sein, statt immer zugleich auch neben sich zu stehen.

Als Frank Baumbauer ihn 2006 an die Münchner Kammerspiele holen wollte, zögerte Bernd Moss zuerst: Er hatte es satt, sich immer von den Leuten angucken zu lassen. Doch dann besiegten Neugier und Amüsierwille die Spielmüdigkeit. In München arbeitete er viel mit Pollesch, Schorsch Kamerun und dem jetzigen DT-Hausregisseur Andreas Kriegenburg. Der sei so schön traurig, sagt Bernd Moss, groß wie ein Baum und trotzdem zart. „Und Pollesch, der ist so wach und intelligent.“

Bernd Moss ist einer, der liebenswürdig über Kollegen spricht. Auch über Rafael Sanchez, der die Theateradaption von Ernst Lubitschs Nazi-Parodie „Sein oder Nichtsein“ am Deutschen Theater inszeniert. Mit Filmvorlagen, die auf die Bühne gebracht werden, hat Bernd Moss Erfahrung. In München hat er über 40 Mal in Thomas Ostermaiers „Ehe der Maria Braun“ gespielt, die jetzt auch an die Berliner Schaubühne kommt. Die Schaubühne wollte ihn übrigens auch gern im Ensemble haben. Er hat sich fürs DT entschieden. „Weil hier unter Khuon alles neu und offen ist“, sagt er beim Kaffee in der Kantine.

Anfänge, offene Strukturen, Experimentierfelder – das ist was für Bernd Moss. Und die grassierende Mode, Roman- oder Filmvorlagen auf die Bühne zu bringen? „Hab'' ich nichts dagegen. Da kann man sehen, was Theater anderes kann als Film.“ Und die Rolle als Hamlet-Knattermime Josef Tura? „Seine eitle Vitalität, die gefällt mir.“ Und dass, obwohl Bernd Moss eitle Schauspieler im wirklichen Leben hasst.

Und was ist der Mann nun? Bauch, Herz, Hirn und – nun ja – Kopf. Ohren, Nasen, Lippen trägt Bernd Moss mit Stolz. Jugendliche Liebhaber à la Romeo klappten mit seinem Profil einfach nicht, sagt er. Im Fernsehen spielt er immer schräge Vögel mit angepapptem Haar und Kreissparkassenberateranzug. „Miese, kleine PC-Zecken“, amüsiert sich Moss. Letztens habe gerade wieder mal ein Kollege gesagt, „du bist ja immer so für die komischen Rollen“. Stimmt nicht, protestiert Bernd Moss da überraschend heftig: „Ich kann alles sein!“

GUNDA BARTELS

Premiere 20. 11., 19.30 Uhr. Auch 21.11., 19.30 Uhr u. 29.11., 20 Uhr

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