Wahrscheinlich ist er der meistgesungene Berliner Liedkomponist: Wohl in jeder Minute wird irgendwo auf der Welt eine seiner Melodien angestimmt. Trotzdem erinnert in Berlin noch nicht einmal eine Straße an ihn. Die Rede ist von Johann Crüger, der 40 Jahre als Kantor an der Nikolaikirche wirkte und dort Choräle wie „Jesu, meine Freude“, „Wie soll ich dich empfangen“, und „Schmücke dich, o liebe Seele“ schuf.
Nun sorgt endlich ein Jahrestag dafür, dass die Berliner ihren sorbischstämmigen Star auch persönlich neu kennenlernen können: Am 23. Februar, dem 350. Todestag des Kantors, eröffnete ein neuer Abschnitt der kleinen feinen Crüger-Ausstellung des Stadtmuseums auf der Orgelempore der Nikolaikirche. Die winzige Schau von Originaldrucken praktischer und theoretischer Werke des Kantors ist nur Auftakt und Ergänzung zu einer Reihe von überfälligen Aktionen, die ein frisches, neues Bild des „Orpheus an der Spree“ zeichnen sollen: Bis zum 27. Oktober werden fünf Konzerte, bei denen teilweise sogar unveröffentlichte mehrstimmige Werke Johann Crügers erklingen, den Kantor in Geist und Originalton an seine ehemalige Wirkungsstätte zurückholen.
Dass die authentischen Begegnungen mit dem Musiker einen markanten Kontrapunkt zu der touristisch-künstlichen Zille-Gemütlichkeit setzen, die man so lange mit dem Nikolaiviertel verband, lässt auch der zur Ausstellungseröffnung vorgestellte Band von Christian Bunners erhoffen: Er zeichnet verständlich, wissenschaftlich sauber und in zahlreichen Bild- und Textdokumenten das Porträt eines kosmopolitischen Menschen, der seine geistlichen Evergreens nicht aus Zufall im geistigen Zentrum der Stadt schrieb. Carsten Niemann
Nikolaikirche, bis 25. März. Infos und Termine unter: www.stadtmuseum.de; Christian Bunners: Johann Crüger (1598 - 1662) Aufsätze, Bildnisse, Textdokumente. Frank & Timme 2012, 285 S. 29,80 €