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Der Pianist Nikolai Lugansky.

© Marco Borggreve

Start des Klavierfestivals Berlin: Nikolai Lugansky spielt Rachmaninow

Das Klavierfestival Berlin ist eine privat organisierte und finanzierte Initiative. Diesmal steht eine Hommage an Sergej Rachmaninow im Mittelpunkt der Konzertreihe.

„Études-Tableaux“ nennt Sergej Rachmaninow seinen letzten großen Klavierzyklus, den er 1916 kurz vor seiner Emigration aus Russland schrieb. Die „Bilder-Etüden“ lassen ahnen, welch innovativen Weg der Komponist hätte beschreiten können, wäre ihm nicht die Verbindung zum Inspirationsquell seiner Heimat weggebrochen, von einer klanggesättigten, gefühlsgeladenen Spätromantik hin zu einer moderneren Expressivität. Prokofjew und Strawinsky lassen hier manchmal grüßen. Der Zyklus ist bejubelter Höhepunkt des Eröffnungskonzerts des Berliner Klavierfestivals, das den Komponisten mit einer dreiteiligen Rachmaninow-Hommage zum 150. Geburtstag ehrt.

Kein Geringerer als Rachmaninow-Spezialist Nikolai Lugansky entfaltet hier alle Facetten des Rachmaninow-Kosmos, vom träumerischen Präludieren bis zu wirbelnden, ekstatisch gesteigerten Figurationen, die plötzlich in Melancholie umschlagen können, um dann wieder in kaum spielbare Akkordkaskaden auszubrechen.

Mit seinen Riesenhänden schafft der Pianist das scheinbar mühelos. Doch er ist mit seinem kraftvollen, intensiven Zugriff nicht nur ein großer, technisch nahezu unfehlbarer Virtuose, sondern als Schüler der großen Bach-Interpretin Tatjana Nikolajewa ein die komplexesten Klangschichten Durchforschender, aus denen er den melodischen Fortgang klar und farblich kontrastreich herausarbeitet.

Der mittelalterliche Hymnus des „Dies irae“ geistert immer wieder durch diese Stücke, gibt ihnen die oft düstere Prägung. In Nr. 6, vom Komponisten selbst als „Rotkäppchen und der Wolf“ bezeichnet, kippt die düstere Dramatik in schwarzen Humor, während Nr. 8 in harten, sich zu „Glockenklängen“ steigernden Dissonanzen und einem auf der Stelle tretenden Staccato-Ostinato Beklemmung verbreitet.

Solche Plastizität können die fast 20 Jahre zuvor entstandenen „Moments Musicaux“ nicht erreichen. Ihre Virtuosität bleibt eindimensionaler, es fehlt die Tiefe des späteren Werks. Indem Lugansky sie dramatisch aufzuladen versucht, tut er manchmal des Guten zu viel, lässt den ohnehin eher weichen Bösendorfer-Flügel mit reichlich Pedal erdröhnen. Mehr Leichtigkeit, Absichtslosigkeit könnte hier guttun.

Viel mehr Klarheit und Transparenz, auch perkussive Trockenheit durchdringt die Sonate Nr. 2 b-Moll, deren Überfülle an Ideen Rachmaninow selbst in einer 2. Fassung zu glätten versuchte. Doch die Vereinfachungen konnten nicht befriedigen, sodass immer wieder Pianisten – allen voran Vladimir Horowitz – das Beste aus beiden Fassungen zu verschmelzen suchten. Auch Lugansky schuf seine eigene Version – von stimmiger, überzeugender Wirkung.

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