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Humboldt-Forum: Stella und die Berliner Republik

Das Schloss bricht mit der Baukultur des Bundes.

Seit ihrer Gründung war die Bundesrepublik immer bemüht, sich in ihren Architekturen modern, zukunftsorientiert und weltoffen zu zeigen. In Bonn standen dafür die Namen Egon Eiermann, Sepp Ruf, und vor allem Günther Behnisch mit dem transparenten Plenarsaal; ein Bauwerk von einmalig freiheitlicher und demokratischer Ausstrahlung.

Der Umzug in die Berliner Republik wurde zum Triumph der Moderne mit Norman Fosters Umbau des Reichstags, Axel Schultes’ Kanzleramt sowie dem Paul-Löbe-Haus und dem Elisabeth-Lü ders -Haus von Stefan Braunfels. Der Reichstag, das Außenministerium und andere Ministerien sind hervorragende Zeugnisse eines gelungenen Zusammenspiels von Baudenkmal und Moderne. Das Zeughaus mit dem Deutschen Historischen Museum hat durch den von I. M. Pei gestalteten Anbau an Kraft und Spannung gewonnen. Auf der Museumsinsel wird dies mit David Chipperfields Umgang mit dem Neuen Museum hoffentlich auch gelingen.

Die Demokratie als Bauherr hat in Bonn und in Berlin viele interessante Zeichen für modernes Bauen gesetzt und dabei immer auch der Baugeschichte in stimmiger Weise Respekt bezeugt. Die Moderne der Berliner Republik wurde mächtiger und prächtiger als die Bonner Bescheidenheit, aber es wurden bislang Architekturen, mit denen sich die ganze Nation identifiziert. Wir sind alle stolz darauf, dass den Reichstag nicht die alte Kuppel von Wallot ziert, sondern eine transparente, für die Bürger begehbare Kuppel. Auch die Öffnung seiner Repräsentationsbauten für moderne Kunst hat Deutschland viel Anerkennung eingebracht.

Mit dem Votum für eine Schlossreplik im Herzen Berlins hat sich der Bundestag 2002 von dieser Tradition der weltoffenen Moderne abgewandt und dem zeitgenössischen Bauen sein Misstrauen ausgesprochen. Eben noch glücklich über die architektonisch mutige Berliner Republik, ist die Mehrheit im Bundestag nun getrieben von der Sehnsucht nach Geborgenheit in preußisch barocker Baukultur.

Nun siegt das Retortenschloss auch über das Humboldt-Forum. Mit Franco Stellas Entwurf kann es kein zukunftsorientiertes und weltoffenes Haus der Kulturen der Welt werden. Der gekürte erste Preis stapelt alle Ausstellungs- und Veranstaltungsräume lichtlos und langweilig zwischen die Schlossfluchten. Er macht nicht den geringsten Versuch, ein interessantes Spannungsfeld zwischen moderner Gestaltung und der Erinnerung an das Stadtschloss zu schaffen, wie dies im Entwurf von Kuehn / Malvezzi angelegt ist.

Warum nur wurde den Wettbewerbsteilnehmern nicht die Freiheit gelassen, die Beziehung zwischen Stadtschloss und Humboldt-Forum auf unterschiedliche Art zu interpretieren? Aber auch der Anspruch, ein dem Original von Andreas Schlüter würdiges Stadtschloss neu zu konstruieren, birgt Risiken. Die Gefahr, dass die Fassaden künstlich und unelegant wirken, ist groß. Denn die barocken Skulpturen im Schlüterhof sind im Unterschied zu den standardisierten Ornamenten nicht einfach mit Computertechnik zu kopieren. Es wird ein Bau ohne Patina werden. Schon der kommende Streit, ob das in das Staatsratsgebäude eingesetzte Portal mit dem Liebknecht-Balkon nun wieder in das neu-alte Stadtschloss eingebaut werden oder am jetzigen Ort verbleiben soll, zeigt, wie schwierig es ist, gelebte Geschichte rückgängig machen zu wollen.

Es mag sein, dass der Bundestag das Projekt so verwirklicht sehen will, wie es geziemt. Die Diskussion aber, ob Deutschland gut beraten ist, wenn bedeutende Repräsentationsgebäude völlig aus unserer Zeit herausfallen, darf mit der Wettbe werbsentscheidung vom 28. November nicht beendet sein. Und es ist wichtig, dass sie nicht nur von Architekten und Denkmalpflegern geführt wird, sondern auch als politische Diskussion über unser nationales Verständnis von Kultur und staatlich-kultureller Selbstdarstellung.

Die Autorin ist Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus und Mitglied im Beirat der Bundesstiftung Baukultur.

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