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Christoph Stölzl

© IMAGO/Funke Foto Services / Reto Klar via imago-images.de

Sympathischer Magnet: Der Berliner Kulturmanager und Politiker Christoph Stölzl ist gestorben

Einer, der sich stets begeistern konnte, als Gründungsdirektor des DHM, als Präsident der Hochschule für Musik, als Kultursenator. Ein Nachruf auf Christoph Stölzl.

Von der Emigration aus Nazi-Deutschland hat er vor Jahren als „weißem Fleck auf der Landkarte“ gesprochen und gefragt, „Warum gründet man nicht in Berlin einen eigenen Ort für dieses Thema?“ Den „eigenen Ort“ gibt es noch immer nicht, wohl aber die Institution Exilmuseum, geschaffen aus bürgerschaftlichen Engagement. Christoph Stölzl war ihr Gründungsdirektor. Die Nachricht von seinem plötzlichen Tod trifft das noch junge Museum bis ins Mark.

Er sprach gerne von der „Kulturnation“

Sie trifft auch Berlin, wo er seit 1987 lebte, sie trifft Weimar, wo Christoph Stölzl bis zum vergangenen Sommer zwölf Jahre lang als Präsident der Hochschule für Musik amtierte. Mit Blick auf die kulturellen Anstrengungen Thüringens und deren Finanzierung fragte er einmal – und er fragte die „Kulturnation“, von der zu sprechen er sich noch nie scheute –: „Warum sollen wir es nicht gemeinsam tun in einem National Trust?“

Er wäre der Berufene gewesen, einen solchen National Trust zu leiten, eine Nationalstiftung, wie er sie bisweilen in kühnen Strichen skizzierte. Vielleicht hätte er sie realisieren können; doch das dem nahe kommende Präsidentenamt der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, für das er 1998 kandidierte, wurde ihm von der neuen Mehrheit von Rot-Grün verwehrt.

Das DHM sollte ein echtes Museum sein - nicht nur ein Gehäuse

Immerhin ein Nationalmuseum hat er als Gründungsdirektor zum Leben erweckt, gegen Unkenrufe von allen Seiten. Ganz so durfte es nicht heißen, so wurde es das Deutsche Historische Museum, gegründet 1987 und durch die Wiedervereinigung zum Berliner Zeughaus gekommen. Und als das DHM erstmals seine Ausstellung zur deutschen Geschichte zeigte, staunten alle, welch’ enorme Sammlung da in kurzer Zeit zusammengekommen war. Es gelang, weil Stölzl an die Kraft der Objekte glaubte und an die Kraft der Institution Museum. Das DHM, das er zwölf Jahre lang leitete, „sollte ein echtes Museum, also ein Schatzhaus bedeutender authentischer Geschichtszeugnisse und Kunstwerke sein und nicht nur ein Gehäuse wechselnder didaktischer Installationen“.

Christoph Stölzl wurde 1944 nahe Augsburg geboren und wuchs in München auf. Als promovierter Historiker kam er durch glückliche Umstände zum Museum, 1980 wurde er Direktor des Münchner Stadtmuseums. Er machte daraus im Handumdrehen einen Ort weit gespannter kultureller Debatten. So wurde er alsbald dem Kreis universitärer Historiker, die im Auftrag von Bundeskanzler Kohl über ein Geschichtsmuseum nachdenken sollten, als Mann der Praxis beigegeben und mit dessen Realisierung betraut.

„Das Museum ist eine Vergangenheitsmaschine, es erzählt davon, woher wir kommen,“ war einer seiner Kernsätze, und dieses Erzählen konnte er mit Objekten so gut wie mit Worten. Die Gabe der öffentlichen Rede ist hierzulande nicht allzu reich gesät. Stölzl hingegen konnte aus dem Nichts heraus geistreiche Vorträge halten, doch zugleich fesselnd als Erzähler, ganz gleich, welches Thema er wählte; sogar als Causeur in spätabendlichem Rundfunk-Feuilleton wusste er zu glänzen.

Auch als Causeur im Rundfunk-Feuilleton glänzte er

Fast zwangsläufig kam Stölzl zur Politik und ließ sich im Jahr 2000 von Eberhard Diepgen als Berliner Senator für Wissenschaft und Kultur anwerben. Für einen Augenblick verlieh Stölzl der Landespolitik und besonders der Berliner CDU, der er erst als Senator beitrat, jenen Anstrich liberaler Bildungsbürgerlichkeit, die er selbst wie kein Zweiter verkörperte.

Es blieb beim Augenblick einer kurzen Amtszeit, auch wenn er noch einige Jahre als Parlamentsvizepräsident anhängte. „Wenn ,unpolitisch’ heißt, dass man sich zwar im Räderwerk von Parteipolitik auskennt, dennoch aber idealistische Sachpolitik für den besseren Weg hält – dann lasse ich mich gern ,unpolitisch’ nennen“, rechtfertigte er Jahre später seinen Ausflug; er, der sich – ebenso idealistisch – „Lust am öffentlichen Austragen von Streitigkeiten“ bescheinigte, „in Fragen der Kultur, des Geistes und in allen Fragen des ästhetischen Ausdrucks“.

Es sprengt jeden Nachruf, die Fülle der Ämter aufzuzählen, die Christoph Stölzl ausgeübt und jedes Mal auch ausgefüllt hat, immer bereit, Neues zu wagen, und sei es mit dem Risiko des Scheiterns wie beim Gang in die Niederungen der Landespolitik. Doch nicht von Niederungen, von Höhen hätte er gesprochen, er, der kurz vorher noch geschrieben hatte: „Nicht die fachliche Kompetenz berechtigt zum Eintritt in die politische Arena, sondern die Gabe, als Magnet der Sympathie zu wirken.“

Ein „Magnet der Sympathie“ war Stölzl zeitlebens, und bald wird dämmern, welche Lücke er hinterlässt, in Weimar, in Berlin, in der ganzen Kulturnation. Nun ist Christoph Stölzl am 10. Januar an seinem bayerischen Landsitz überraschend verstorben, 78 Jahre alt und gesegnet mit der unerschöpflichen Neugier dessen, der nach dem Zweiten Weltkrieg aufwuchs und das „Weiterwerden“ der Welt erlebt hatte: „Dazu gehört auch, dass wir einer Generation angehören, die sich begeistern konnte.“ Sich und alle, mit denen er jemals zu tun hatte.

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