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Sira ist von sich selbst überrascht auf der Berlinale.

© Robert Ide

Tag 5 auf der Berlinale: Warum ist Sira denn so rotzig?

Sira Anna Faal ist Schauspielerin, Rapperin, Berlinerin. Unser Autor hat die 24-Jährige getroffen, die bei ihrer Oma wohnt und ihrer Generation mit Zweifeln Halt gibt.

Robert Ide
Eine Kolumne von Robert Ide

Stand:

Sira ist sauer auf mich. „Deine pinken Socken hier – die finde ich blöd irgendwie.“ Sira starrt auf meine Socken, um mich weiter zu dissen: „Wahrscheinlich ist Pink Deine Lieblingsfarbe. Als Typ bist Du bestimmt total oberflächlich. Irgendwie guckst Du auch schon so.“ Moment mal! Langsam beschleicht mich das Gefühl, dass Sira wirklich sauer auf mich ist. Genau das will sie mir zeigen. Denn Sira Anna Faal ist Schauspielerin, Rapperin, Berlinerin. Rotzig sein auf Kommando – das ist jetzt ihr Beruf.

Sie kann auch anders. Weil sie im Beruf viele und im Leben eine andere ist. Eine, die Gefühle zeigt, damit andere sich verstanden fühlen. Eine, die selbst verletzlich ist, und darüber singt und schreibt. Eine, die als 24-Jährige im Internet zu Hause ist, aber bei ihrer Oma in Friedenau wohnt, „weil ich mit ihr noch die letzten Jahre verbringen will“. Eine, die früher in den Berlinale-Hotels gekellnert hat und heute plötzlich auf dem Roten Teppich steht. Eine, die inzwischen eine Agentin hat und das selbst kaum glauben kann. Eine, die nach ihrem Debüt in der Serie „Druck“ zu den Nachwuchs-Hoffnungen im deutschen Schauspiel zählt, gerade im neuen Kinderfilm „Die drei ???“ mitmacht und für den „New Faces Award“ nominiert ist. Eine, die oft zweifelt an sich und im Gespräch offen darüber spricht.

„Kann mein Herz das alles tragen? / Oder ist das nur ‘ne Phase mit dir? / Sag, ist das schon ‘ne Frage zu viel?“, rappt sie in „Phase“, aufgenommen zusammen mit Xaver und Gustav von der jungen Dresdner Erfolgscrew 01099. Mit Fragen gibt Sira ihrer Generation in haltlosen Zeiten einen Halt – und sich auch. „Meine Oma hat gemeint: Musik ist für dein Herz und Schauspiel für die Seele“, sagt sie und lacht. „Manchmal ist es auch andersrum.“

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Das deutsche Kino braucht neue, sensible Stimmen wie sie. Sira Anna Faal kommt aus einer armen Familie mit gambischen Wurzeln, für den Vater spielte der Islam eine wichtige Rolle. Er wollte, dass seine Tochter Medizin studiert, sie war die erste der Familie, die das Abitur machte. Als sie dann zufällig ihre erste Rolle bekommt – angeschrieben auf Instagram, ob sie mal zum Casting kommen wolle – und die Rolle eine lesbische Frau ist, wird es zu Hause schwierig. „Wir haben nicht mehr so viel Kontakt“, sagt sie über ihren Vater. Ihre Mutter, die auch immer gemahnt hat, Sira solle lieber Geld verdienen, steht inzwischen hinter ihr.

Die Berlinale ist Glanz, Trubel, Wahnsinn. Aber sie kann auch ein Ort sein für nachdenkliche Gespräche – darüber, was unsere Welt mit jungen Menschen macht. „Manchmal fühle ich mich wie auf einem Holzschiff, das ein großes Loch hat und auf dem offenen Meer schwimmt. Ich muss immer wieder Wasser aus dem Boot schippen, damit es nicht untergeht, aber es kommt immer neues nach. Es scheint eigentlich hoffnungslos, aber man darf nicht aufgeben im Leben.“ Sira schreibt Tagebücher, damit die Rollen nicht zu viel Einfluss auf ihr Inneres haben. Damit sie merkt, was sie mit unserer Welt machen will.

Und was ist mit der wütenden Sira? Die hat sich meine pinken Socken nur ausgeguckt als Schauspielerin. „So werde ich immer wütender auf Dich und spiele das dann.“ Und wenn Pink doch nicht so oberflächlich ist? Dann muss man über den Zweifel hinwegkommen, sagt Sira. „Aber ich kann den Zweifel in mir auch zulassen. Ist doch menschlich.“

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