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Tarmo Peltokoski ist eine Jahrhundertbegabung

© Peter Rigaud

Tarmo Peltokoski: Dieser Dirigent atmet Musik

Der 22-jährige Finne Tarmo Peltokoski beeindruckt beim Berliner Konzerthausorchester nachhaltig mit einem Wiener-Klassiker-Programm.

Von Frederik Hanssen

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Zukunft braucht Herkunft - denn das Neue entsteht ja nie im luftleeren Raum. Tarmo Peltokoski liefert zu dieser Theorie am Samstag im Konzerthaus am Gendarmenmarkt einen absolut umwerfenden Praxisbeweis: Ganz ohne Worte gibt der gerade einmal 22-jähirge Finne dem perplexen Publikum eine Musikgeschichtsstunde in Sachen Wiener Klassik.

Wie er zeigt, dass Joseph Haydn seine Wurzeln in der barocken Klangrede hat, wie er deutlich macht, dass Mozart dann die Ideen seines Komponistenkollegen konsequent weiterdenkt und Beethoven schließlich ins Offene strebt, Richtung Romantik, durch Türen, die Mozart aufgestoßen hat, durch die er aber wegen seines frühen Todes nicht mehr gehen konnte - das alles macht diesen Abend spannend, intellektuell ebenso anregen wie emotional.

Die Musik funkelt und glitzert

Peltokoski ist eine Jahrhundertbegabung, ein Frühreifer, der genau weiß, was er will – und es dem Konzerthausorchester in den Proben offensichtlich so überzeugend vermitteln konnte, dass die Musikerinnen und Musiker wie beflügelt spielen. Wunderbar leicht, beglückend licht klingt Haydns „La Passione“-Sinfonie, aufregend in jedem Detail. Bei Mozarts „Haffner“-Sinfonie kommt ein beglückender Jubelton hinzu. Die Musik funkelt, glitzert, weil sie sich ohne jeden Druck entfalten darf, in schönster Natürlichkeit.

Energie ins Orchester pumpen, das können viele Dirigenten. Wahre Maestro-Qualitäten zeigen sich darum in den langsamen Sätzen, wenn es darum geht, Ruhe zuzulassen, einen entspannten Atem, ohne dass die Konzentration nachlässt oder die innere Spannung verloren geht. Das Mozartsche Andante fächert Tarmo Peltokoski zum 3D-Modell auf, wie bei einem altmodischen Bühnenbild mit gemalten Prospekten erscheinen die musikalischen Ebenen hintereinander gestaffelt – und bilden doch eine Einheit.

Inspirierende Präsenz

Seine interpretatorischen Wundertaten gelingen dem Finnen scheinbar mühelos. So wie ihm das Dirigieren überhaupt die größte Selbstverständlichkeit zu sein scheint. Da gibt es keine Mätzchen für den Saal, gestisch macht er nur das Notwendige, aber er ist mit dem gesamten Körper präsent. atmet die Musik, die er live zum Leben erweckt.

Jeder Solist hätte es schwer, mit diesem außergewöhnlichen jungen Mann gleichzuziehen. Der Spanier Javier Perianes ist ein sensibler Gestalter, er hat die Struktur von Beethovens 4. Klavierkonzert durchaus durchdrungen – und doch bleibt das Orchester auch hier weiterhin der Hauptdarsteller, klingt präsenter, glanzvoller als der Pianist. Wie die Instrumentalist:innen unter Peltokoskis inspirierender Leitung selbst die schlichteste Begleitfloskel mit Bedeutung aufladen, das ist schlicht spektakulär.

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