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Simone Dede Ayivi

© Gedvile Tamosiunaite

Theatermacherin Simone Dede Ayivi: Versuch’s doch mal mit Atemübungen

Simone Dede Ayivi erkundet in der True-Crime-Performance „Autsch – Warum geht es mir so dreckig?“ strukturelle Missstände – und wundert sich über seltsame Ratschläge.

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Unfreiwillig tief musste sich Simone Dede Ayivi in ihr selbst gewähltes Thema einarbeiten. Ausgerechnet zum Probenbeginn ihrer neuen Soloperformance „Autsch – Warum geht es mir so dreckig?“ zog sie sich eine heftige Augenentzündung zu.

„Ich dachte erst: Mein Gott, ist die Heizungsluft aber trocken.‘ Dann habe ich das wohl zu lange herumgeschleppt, bis ich beim Aufwachen die Augen gar nicht mehr öffnen konnte“, erzählt sie per Telefon vom Krankenlager aus und hörbar geschwächt – aber auch bereit, über ihr Befinden und ihre nächste Produktion Auskunft zu geben. In der erkundet sie sehr systematisch genau das, was ihr gegenwärtig so extrem zu schaffen macht.

Ayivi muss selbst sarkastisch auflachen, als sie sich diesen Zusammenhang vor Augen führt: „Das Projekt ist genau daraus entstanden, dass ich mir die Frage gestellt habe: Was ist eigentlich los? Warum passieren mir dauernd derartige private Katastrophen?“ Dabei meint sie nicht die großen politischen Katastrophen, sondern Krankheiten und andere Hemmnisse.

„Da rollt immer wieder irgendeine Coronawelle durchs Theater oder irgendetwas ist so baufällig, dass Vorstellungen oder technische Einrichtungen abgesagt werden. Außerdem hatte ich Schädlingsbefall in meiner Wohnung und bin bei der Wohnungssuche bin auf einen Datenbetrug reingefallen, zum Glück ohne dabei Geld zu verlieren“, beschreibt Ayivi ihren Leidensweg. Den teilte sie auf einer Instagram-Story. Sie bekam dabei viel Zuspruch, erfuhr vom Pech und Leiden anderer wie etwa großer Wasserschaden, kompletter Stromausfall oder Kündigung wegen Eigenbedarf.

Was sie dann aber verblüffte, war, dass sie auf ihre zweite Frage bei der Insta-Story, die auf Lösungsstrategien abzielte, vor allem Antworten bekam, die auf Atem- und Entspannungsübungen sowie Verbesserung der eigenen Widerstandskraft hinausliefen. „Das war das Interessante. Bei vielen Problemen handelt es sich ja eigentlich um Infrastrukturprobleme wie Marodes am Bau oder um Facharzttermine, die nicht zu bekommen sind. Beerdigungen wurden verpasst, weil die Bahn es nicht hinbekam, die Leute von A nach B zu bringen. Die Tipps, die die Menschen mir geschrieben haben, bezogen sich bis auf sehr wenige Ausnahmen aber auf innere Lösungen wie Entspannungsübungen oder tolle Badezusetze und Duftkerzen.“

Die Antworten richteten sich zwar nicht explizit auf die konkreten einzelnen Probleme; von denen wussten die Menschen, die reagierten, teilweise gar nichts. Sie fühlten sich vielmehr von Simone Dede Ayivis allgemeiner Aussage, dass ihr am laufenden Bande seltsame Sachen passierten, angesprochen. Aber aus der Diskrepanz zwischen Problemen, die meist gesellschaftliche Ursachen haben, und Lösungsstrategien, die nicht die Gesellschaft verändern, sondern lediglich das Opfer der Verhältnisse etwas entspannter und widerstandsfähiger machen sollen, will die Performerin und Regisseurin jetzt Kapital schlagen.

Sie legt die Performance als ein True Crime-Format an, um den Problemen der Gesamtgesellschaft auf die Spur zu kommen und etwaige Täter zu überführen. Weil Simone Dede Ayivi selbst Afrodeutsche ist und zum Themenkomplex herkunftsbedingter Diskriminierung zahlreiche wichtige Arbeiten produziert hat, wird auch dieser Aspekt in „Autsch – Warum geht es mir so dreckig?“ nicht fehlen. „Ich bin immer noch schwarz und verrate sicher nicht zu viel, wenn ich sage, bei der verdächtigen Liste der Ursachen bin ich auch auf Rassismus gestoßen. Aber es geht in diesem Stück nicht dezidiert um die schwarze Erfahrung“, meint sie.

„Autsch“ verspricht, die Theaterperformance schlechthin zur aktuellen Gesamtlage zu werden. Zu wünschen ist Ayivi auf alle Fälle, dass mindestens die Augentropfen gut wirken, ganz im Sinne kraftvoller Ermittlungen.

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