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Themen der Talkshows: Wo bleiben Flüchtende, Inflation, Corona?
„Maybrit Illner“ und „Anne Will“ thematisieren den Ukrainekrieg, und „Hart aber fair“ behandelt Italien: Das geht an den Sorgentabellen der Bürger vorbei.

Stand:
Ist das eine Empörung wert? Am Donnerstag diskutierte Maybrit Illner über den Krieg in der Ukraine, am Sonntag debattierte „Anne Will“ über den Krieg in der Ukraine, am Montag diskutierte „Hart aber fair“ über das Italien unter der Regierung der Postfaschistin Giorgia Meloni.
Debatte über Flüchtlingsstrom?
Wo aber bleibt die Debatte über den angeschwollenen Flüchtlingsstrom, über das Stöhnen und die Verzweiflung der Landkreise und Kommunen, die sagen, ihre Kapazitäten seien erschöpft? Wo die Diskussion über die hartnäckige Inflation und ihre vielfältig negativen Folgen?
In aktuellen Umfragen, die Bürgerinnen und Bürger nach den bedrängenden Themen und Sorgen befragen, ist die Flüchtlingsfrage stets oben auf der Liste. Eine Agenda von eminenter Dringlichkeit.
Der Überfall Russlands auf die Ukraine beschränkt sich jetzt, da die Energieversorgung ohne russisches Gas gesichert ist, gerne auf die Frage, welche Waffen Deutschland an die Ukraine liefern soll. Taurus ja oder nein?
Italien wirkt weit weg. Und wenn der „Tagesthemen“-Moderator Ingo Zamperoni nicht einen italienischen Vater hätte, mit dem die Reportage vor „Haf“ ihre persönliche Note bekommt, wäre das Double Feature aus Report und Talk gar nicht erst zustande gekommen. Wetten, dass?
Gibt es vielleicht noch einen weiteren, bisher unbekannten Angehörigen in der Familie Zamperoni, mit dem sich ein eher fernes Thema heranholen, ja „vermenschlichen“ lässt? Dann her damit, auf dass der Doppelpack geschnürt werden kann. Amerika und Italien sind ja abgehakt.
Heikles Thema
Die Talkshowredaktionen von ARD und ZDF müssen aufpassen. Natürlich ist eine Debatte über den Umgang mit Flüchtenden und Migration heikel. Da kann ein komplexes Thema sehr schnell herunterreduziert werden, kann der wohlfeile Populismus Zeit und Raum gewinnen. Sitzt dann noch ein Vertreter/eine Vertreterin der AfD in der Runde, wird es ungemütlich bis explosiv.
Einem Thema auszuweichen, löst keines der Probleme, die dem Thema eigen sind. Die Debattenrunden sind aufgefordert, sich die Sorgentabellen der Deutschen anzuschauen – Migration, Inflation, Corona. Diese ernst genommen, bekommen „Anne Will“ & Co. jene Relevanz, die sie für sich beanspruchen.
Wer nun meint, hier würde gegen die Thematisierung der Ukraine angeschrieben, der irrt. Der Angriffskrieg ist und muss auf der Agenda bleiben. Aber es hilft nichts: Es gibt weitaus mehr Krisen und Katastrophen. Und weil das so ist, dürfen sich die Talkshows nicht in Themen-Resilienz üben. Um das unschöne Wort von der Themenflucht, dem „Agenda cutting“, gar nicht erst zu strapazieren.
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