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Zwischen Tradition und Moderne. Studentinnen einer Universität in Jemens Hauptstadt Sana'a bei einer Exemensfeier im März 2017.

© AFP PHOTO / Mohammed HUWAIS

Roman über Jemen: Triebe und Terror

Eine Klinik in Afrika: Der Roman „Yemen Café“ von Evelyn Schlag wirft einen aktuellen Blick auf die komplizierte Lage in Jemen.

„Er schaute sich all die Fotos der Landesteile an, in die er nicht fahren durfte, also die meisten, weil er die Bewilligungen und Passagierscheine nicht bekommen würde. Die atemberaubenden Bergdörfer mit den grünen Terrassen im Norden, könnte man nur die N1 von Sana’a einfach weiterfahren.“ Das denkt Jonathan, ein österreichischer Arzt, der in einem Schweizer Krankenhaus in Jemens Hauptstadt Sana’a arbeitet, ein privilegiertes Krankenhaus in einem Land, das das schlimmste Jahr seiner Geschichte erlebt. Ein unerbittlicher Bürgerkrieg tobt in dem Land, unterstützt von ausländischen Mächten, den Saudis, den Amerikanern und auf der Gegenseite den Iranern.

In Jemens vergessenem Krieg, der nur selten in den Schlagzeilen auftaucht, hat die österreichische Autorin Evelyn Schlag ihren präzise recherchierten Roman „Yemen Café“ angesiedelt. Aus der scheinbar heilen Welt eines Krankenhauses für Privilegierte, die sich die Behandlung leisten können, wird ein Blick auf die prekäre Situation Jemens geworfen. Schlag schildert die stets drohende Terrorgefahr, die Loyalitätskonflikte der Einheimischen in diesem von Westlern geleiteten Krankenhaus, das gespannte Verhältnis der Jemeniten zum indischen Pflegepersonal, dem man gerne mal den Lohn verweigert.

Damit nicht genug, Jonathan hat eine Schwäche für schöne Frauen, ob das seine große Liebe Delphine ist, mit der er per Email im fernen Äthiopien Kontakt hält oder Susanna, die attraktive Frau des neuen Chirurgen Malte, die sich nur schwer mit der Situation im Lande zurechtfindet. „Die sommersprossige Frau mit dem viel zu hellen Teint, würde sie hier glücklich werden? Nicht mit dieser Haut“, bemerkt Jonathan mit dem ihm eigenen Zynismus. Und dann taucht noch die junge Amerikanerin Katie auf, die für eine NGO arbeitet und der er verfällt. Aber Katie steht auf der anderen Seite: „Du operierst die Leute, die ein korruptes und verbrecherisches System am Laufen halten. Könnte man das so sagen?“

Schlag diskutiert das Dilemma der Expats, die in sicherer Umgebung ein Leben voller Privilegien führen, während die Jemeniten ums Überleben kämpfen. Zur zweiten Hauptfigur wird Hassan, der in München studiert hat und das Studium wegen der Entführung seines Bruders abbrechen musste. Er ist ein Fan des FC Bayern und gleichzeitig eingebunden in das schwer durchschaubare System von einheimischen Verpflichtungen.

Das Cover zeigt zwar nicht Jemen, aber der Roman ist empfehlenswert: Evelyn Schlag: Yemen Café 2016

© Zsolnay Verlag

Schlag legt in ihrem außergewöhnlich spannenden Roman die existenziellen Nöte der jemenitischen Gesellschaft offen und die Rolle, die westlichen Helfer dabei spielen. Sie müssen sich die alte Frage stellen: Auf welcher Seite stehst du? Jonathan sieht sich nicht nur mit verwirrten erotischen Verhältnissen, sondern auch mit den Konflikten des komplizierten Landes konfrontiert. Die Terrorgefahr bleibt allgegenwärtig, bis zum bitteren Ende.
Evelyn Schlag: Yemen Café. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2016. 366 Seiten, 24 €.

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