
© René Groebli, #532, aus 'Das Auge der Liebe', Paris 1952 Courtesy Johanna Breede
Über die Liebe: Eine großartige fotografische Serie von René Groebli
Der Schweizer Fotograf und seine Frau quartierten sich 1952 während ihrer Hochzeitsreise in einem Pariser Hotel ein. Immer dabei: die Kamera.
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So weich und unscharf wie eine Wolke wirkt das weiße Kleid, das sich die Frau gerade über den Kopf zieht. Die Bewegungsunschärfe fängt den intimen Moment des Entkleidens so unnachahmlich ein, dass sie den Fotografen vollständig vergessen lässt.
Es ist nicht der voyeuristische, sondern der liebende Blick des Schweizer Fotografen René Groebli, der die bei Johanna Breede ausgestellte Serie „Das Auge der Liebe“ von 1952 zu einem Glücksfall in der Geschichte der Fotografie macht.
„Das Auge der Liebe“ sieht die Welt in einem anderen Licht. Die Welt ist in diesem Fall das spärlich möblierte Hotelzimmer in Paris, das der 25-jährige Fotograf mit seiner Frau Rita während seiner Hochzeitsreise bewohnte.
1927 in Zürich geboren, arbeitete der ausgebildete Dokumentarfilm-Kameramann zunächst als Fotoreporter, bevor er ein Fotostudio für Industrie- und Werbefotografie führte, um parallel seine künstlerischen Fotoessays zu realisieren.
Rita im zerwühlten Bett
„Das Auge der Liebe“ fällt auf das zerwühlte Bett, bleibt an den Spitzengardinen mit den Amor-Putten hängen, schaut für einen Moment auf das gegenüberliegende Fenster und kann den Blick doch nicht lassen von der geliebten Frau, deren Silhouette sich im Gegenlicht abzeichnet.
Liebevoll folgt es ihrer Nackenlinie, streift an ihren Beinen mit den Seidenstrümpfen entlang, schaut ihrem Spiegelbild beim Tuschen der Wimpern zu und kann sich nicht sattsehen an ihrer Erscheinung.
Wie ein Fotoroman im Stil der Serie Noir fügen sich die schwarz-weißen Bilder zu einer filmischen Sequenz des Augenblicks, der so flüchtig und vergänglich wie wahrhaftig ist. Von dem Davor und Danach erzählen nur wenige Momentaufnahmen wie der Aufstieg im Treppenhaus oder das Stillleben mit Rotweinflasche, Rose und Aschenbecher mit der sprichwörtlichen Zigarette danach.
Mit sparsamer Ausstattung wie dem schimmernden Negligé auf einem Kleiderbügel und der zeitlosen weißen Bluse gelingt die Gratwanderung zwischen Klischee und universeller Erfahrung.
Ankauf für das MoMA
Was seinerzeit in der Schweiz noch als frivol und anstößig galt, wurde in den USA sofort erkannt. Kein Geringerer als Edward Steichen, damals Direktor des Departments of Photography des Museum of Modern Art in New York, zeigte sich beeindruckt von der Serie, die 1954 als Buch in kleiner Auflage publiziert wurde.
Zusammen mit Robert Frank besuchte er auch Groeblis Heimatstadt Zürich, um Werke für das große Ausstellungsprojekt „The Family of Man“ ausfindig zu machen. Anschließend lud er den Landsmann und Altersgenossen von Robert Frank nicht nur zu der legendären Ausstellung ein, die als umfassendes Porträt der Menschheit auf Welttournee ging und heute zum Weltdokumentenerbe zählt. Er erwarb auch den sitzenden Rückenakt für die Sammlung des MoMA.
Ähnlich bedeutsam wie jenes Hochformat ist in Groeblis Serie auch das Querformat des liegenden Rückenakts. In der klassischen Pose der Venus von Velázquez auf schönstem Faltenwurf streicht das „Auge der Liebe“ die geschwungene Seitenlinie entlang bis zur Hüfte, die von einem drapierten Laken diskret verhüllt wird.
Es strahlt dieselbe Ruhe und Hingabe aus wie das Motiv des Buchcovers, das die geliebte Frau in existentialistisches Schwarz gekleidet und auf dem Bauch liegend in extremer Verkürzung zeigt. Aus nächster Nähe und auf Augenhöhe aufgenommen, gehört es zu den intimsten Bildern dieser Serie, von der Johanna Breede sowohl Vintage-Abzüge als auch hochwertige Platinum Palladium Prints präsentiert.
Es sind poetische Impressionen, die die Serie zu einer einzigen Liebeserklärung machen, einem fotografischen Liebesgedicht, das im Blick des Liebenden auf seine Geliebte das Geheimnis der Liebe feiert.
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