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Kultur: Unter Tagebau

Im Kino: „Schröders wunderbare Welt“

Man bekommt den Blues beim Zusehen. Wer erinnert sich noch an Schultze (Horst Krause), den stillgelegten KaliKumpel in seiner stillgelegten Landschaft, der so gern Polka spielen will auf seinem Akkordeon, aber seine Finger finden immerzu den Mississippi und Schultze irgendwann auch? Was war das für ein wunderbar lapidarer Film, gemacht aus lauter Stillständen, die wie Wirbel waren. Ein Debütfilm, aber er hatte die Sicherheit und Tiefe eines Spätwerks. Und nun? Statt Schultze also Schröder. Wieder so ein unterprivilegierter Typ aus einer unterprivilegierten Landschaft im Osten. Nur kommt er diesmal nicht aus einem Bergwerk, sondern aus einem stillgelegten Tagebau. Kali statt Braunkohle. Schröder (jünger, ohne erkennbare Eigenschaften: Peter Schneider) geht aber nicht wie Schultze nach Amerika, sondern kommt gewissermaßen von dort, mit einem Großinvestor (Jürgen Prochnow als John Gregory) unterm Arm. Und der will aus Schröders Heimatort Tauchritz im äußersten Südosten des Landes das Badeparadies „Lagunenzauber“ machen.

Das alles gibt es wirklich. Südlich Berlins entsteht gerade das größte zusammenhängende Seengebiet Europas – in der geschundenen Landschaft der Lausitz, dem ehemaligen Kraftwerk der DDR. Nur: keine Wirklichkeit kann einem Film helfen. Er ist seine eigene Wirklichkeit. Oder eben nicht. In „Schröders wunderbare Welt“ ist nichts mehr lapidar oder poetisch. Der Film ist eine einzige Überanstrengung. Jeder Satz scheint neben sich zu stehen. Es gibt großmannssüchtige Filme, die kritisiert man gern, da tut es nicht weh. Hier schon. Kerstin Decker

In den Berliner Kinos Babylon Mitte, Blow Up, Cinemaxx Potsdamer Platz, Filmkunst 66, Colosseum

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