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Lenin als Wegweiser. Blick in die Ausstellung.

© Alexander Koch/BKV Potsdam

Ausstellung der Künstlergruppe Chto Delat: Urenkel der Revolution

Die russische Künstlergruppe Chto Delat fragt im Pavillon auf der Potsdamer Freundschaftsinsel: Was tun?. Es geht um politische Teilhabe und den Eindruck allgemeiner Ratlosigkeit angesichts der aktuellen politischen und sozialen Krisen.

Im winterlichen Staudengarten auf der Potsdamer Freundschaftsinsel, gleich hinter dem Hauptbahnhof, leuchtet revolutionäres Rot. Die russische Künstlergruppe „Chto Delat?“ (Was tun?) hat im gläsernen Pavillon am Havelufer, dem Sitz des Brandenburgischen Kunstvereins, Flaggen aufgehängt, die zum Umsturz aufrufen: mit Zitaten frei nach Hegel und Lenin, aufgenäht in Schwarz und Weiß auf roten Stoff.

Chto Delat?, derzeit auch in der Wiener Secession präsent, nehmen Lenins Frage „Was tun?“ ernst, wie auch die Potsdamer Ausstellung heißt. Es geht um politische Teilhabe und den Eindruck allgemeiner Ratlosigkeit angesichts der aktuellen politischen und sozialen Krisen. Zum 2003 gegründeten Kollektiv gehören neben Künstlern auch Kritiker, Philosophen und Schriftsteller. Sie stammen aus Moskau, Nischni Nowgorod und Petersburg. Im Glasbau aus DDR-Zeiten hat die Gruppe Zeichnungen, Poster, Videos sowie hölzerne Silhouetten revolutionärer Dichter und anderer historischer Persönlichkeiten platziert – luftig und leicht und doch dicht genug für einen lehrreichen Aufenthalt.

Das liegt vor allem an dem Film, der einen Auftritt von Chto Delat? in der Kunsthalle Baden-Baden zeigt. In Anlehnung an Brecht ließ sie dort ein Quartett „Das Badener Lehrstück vom Un-Einverständnis“ singen, ein Loblied auf den Kommunismus, das den zahlreichen Zuhörern Zweifel auf die Gesichter schrieb, so, als ob sie nicht wüssten, ob sie lachen oder sich empören sollten. Mit solchen Verfremdungen politisch aufgeladenen Kulturguts ist es Chto Delat? schon auf vielen Biennalen gelungen, das Publikum stutzig werden zu lassen. Zur fröhlichen Filmmusik in Potsdam blättert der Besucher durch eine Wandzeitung zum Nahost-Konflikt und sieht sich Zeichnungen von verlorenen Menschen in Umgebungen an, die mal an einen Gulag, mal an Aldous Huxleys Roman „Schöne Neue Welt“ denken lassen. Verfängt sich der Besucher zwischen Utopie und Dystopie, sind Chto Delat? am Ziel. Der Wunsch nach einer besseren Welt kollidiert mit dem Wissen über die Verbrechen früherer Revolutionen.

Einen Ausweg aus dem Dilemma scheint auch hier niemand zu kennen. An einer Wand hängen Fragebögen, auf denen Besucher auch vertrauenswürdige Kollektive nennen sollten. Niemand hat darauf eine konkrete Antwort gegeben, noch nicht einmal Kirchengemeinde oder Familie wurden genannt. Über diesen Mangel an Vertrauen würde man gern mehr erfahren, doch eine Aufführung von Chto Delat?, bei der sich Künstler und Potsdamer Publikum begegnen könnten, sieht das Programm des Kunstvereins leider nicht vor.

Brandenburgischer Kunstverein, Potsdam, Pavillon auf der Freundschaftsinsel. Bis 22. Februar, Di–So 12–17 Uhr.

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