
© SMB/Christof Hannemann
Wie Usbekistan versucht, sich ein neues, touristenfreundliches Bild zu geben: Mit dem historischen Erbe in die Moderne
Anfang Mai dieses Jahres zeigen die James-Simon-Galerie und das Neue Museum in Berlin erstmals archäologische Schätze aus Usbekistan. Ein Besuch des seit 1991 unabhängigen Landes.
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Der Eindruck ist atemberaubend, die Pracht einschüchternd: drei Medressen mit farbenprächtigem Kacheldekor, Minaretten und gewaltigen rechteckigen Portalen mit hohen Spitzbögen. Der Registan in Samarkand, der „Sandplatz“, ist eines der eindrucksvollsten Ensembles islamischer Architektur überhaupt und ein Monument, das im modernen Usbekistan vom einstigen Glanz der Seidenstraße zeugt.
Der Platz zieht auch Einheimische magisch an, nicht zuletzt als wunderbare Kulisse für Hochzeitsfotos. Die Frauen und Mädchen der Festgesellschaften tragen hier weder Schleier noch Kopftuch. Obwohl die knapp 35 Millionen Einwohner Usbekistans zu 90 Prozent dem sunnitischen Islam angehören, ist Religion vor allem Privatsache. Usbekistan ist ein säkularer Staat, auch wenn neue Moscheen wie in Termez entstehen und im Straßenbild auch Frauen mit Kopftuch zu sehen sind. In dem Referendum zur neuen Verfassung am 30. April soll unter anderem diese Säkularität festgeschrieben werden.
Die großen historischen Medressen in Samarkand sind zu besichtigen, ebenso wie die Moschee in der Medresse Tella Kari, der „Goldgeschmückten“. Am 8. März 1929 wurde auf dem Registan die Entschleierung der muslimischen Frau in der Sowjetunion verkündet und gefeiert, ein Erbe, das offensichtlich bis heute nachwirkt.

© Rolf Brockschmidt
Seit 1991 ist das Land, das bis 2015 von Islam Karimow mit harter Hand regiert wurde, unabhängig. Karimows Nachfolger Schawkat Mirsijojew steht für einen wirtschaftsfreundlichen Reformkurs. Daneben setzt man zunehmend auf die Kultur. Ein Beispiel war 2022 die Ausstellung im Louvre über die Oasenstädte Usbekistans, eine mit den archäologischen Schätzen des Landes folgt ab dem 4. Mai in Berlin.
„Wir sind froh, dass das usbekische Kulturerbe in Europa gezeigt wird“, sagt Jangra Iljasow, Chefarchäologe vom Institut für Kunstwissenschaften der usbekischen Akademie der Wissenschaften in Taschkent. Der ehemalige Alexander-von-Humboldt-Stipendiat wünscht sich noch mehr wissenschaftlichen Austausch.
So sind in den Bauten des Emirs von Buchara aus dem 18. Jahrhundert kleine Museen untergebracht, für Geschichte, Archäologie, Natur und Kunstgewerbe. Einheimische Touristen drängen sich hier durch die Räume, das Mobiltelefon fest in der Hand, um alles per Video aufzunehmen. Ist es Bildungshunger, Neugier, Stolz auf die eigene Vergangenheit?
Zwar ließ Präsident Karimow vor 20 Jahren ein archäologisches Museum in Termez errichten, doch spielte die Archäologie bis 2015 keine große Rolle. Das ist nun anders. Taschkent bekommt ein neues Zentrum für Restaurierung, und die Regierung besinnt sich auf die Bedeutung der Archäologie. In Buchara wurden auf dem Festungshügel die Grabungen aufgenommen und die prächtigen halbrunden Festungsmauern rekonstruiert.
Überhaupt Buchara. Hier blieb die Altstadt als geschlossenes Ensemble erhalten, mit zahlreichen Medressen, Moscheen und Basaren, mit einer Synagoge und einem jüdischen Viertel. Die Grünanlagen der Oasenstadt sind gepflegt; wer genau hinschaut, entdeckt im Wahrzeichen der Stadt, dem mächtigen Kolon-Minarett, fünf runde restaurierte Löcher: stumme Zeugen des Beschusses durch die Luftwaffe der Bolschewiki. Diese hatten 1920 die Stadt angegriffen, um den Emir zu vertreiben und das Emirat Buchara dem revolutionären Russland einzuverleiben.
Historisches Altstadtensemble
In Usbekistan wird viel gebaut. Aber viele neue Wohnkomplexe fügen sich gut ins Stadtbild ein, imitieren oft das Goldgelb der zaristischen Backsteinarchitektur mit ihren flachen Häusern. Taschkent fällt dabei etwas aus dem Rahmen. Hier hatte 1966 ein verheerendes Erdbeben viel zerstört.

© Rolf Brockschmidt
Von nationalem Stolz und Selbstbewusstsein künden die neuen mächtigen Bauten aus der Zeit der Staatsgründung 1991. Über Politik spricht man öffentlich nicht gerne, schon gar nicht mit Journalisten. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ hat sich Usbekistan etwas verbessert und steht jetzt auf Rang 133. Doch es ist noch ein langer Weg.
Doch die Moderne zeigt sich allerorten: Der spanische Hochgeschwindigkeitszug „Afrosiyob“ verbindet Samarkand mit Buchara. Die zum Teil holprige Hauptstraße nach Buchara ist von Zigtausenden frisch gepflanzter Bäume gesäumt. Usbekistan hat ein massives Wasserproblem, das nun auch mit Aufforstung gelöst werden soll. Das historische Erbe zusammen mit dem Aufbruch in die Moderne – so sieht sich Usbekistan, so möchte es gesehen werden.
Diese Recherchen wurden von der Art and Culture Development Foundation unterstützt.
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