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Sensationell unspektakulär. Barbara Auer spielt die erkrankte Meredith mit leiser Wucht.

©  Realfiction

„Vakuum“ im Kino: Gift im Bett

Härtetest für eine Ehe: Regisseurin Christine Repond spürt in ihrem Filmdrama "Vakuum" der körperlichen und seelischen Erschütterung durch HIV nach.

Katastrophen sind nicht vorgesehen in den gemäßigten Klimazonen des Gefühls. Und wenn sie dann eintreffen, fehlen die Worte und Rituale. Sie müssen dann manchmal überbrückt werden mit psychologischen Klischees wie dem, dass sich eine Frau nach der Trennung die Haare kurz schneiden lässt. Wenn ein Film diese Gleichzeitigkeit von dramaturgisch verschlissen und emotional zutreffend spürbar macht, ist das schon eine Leistung.

„Vakuum“, dem zweiten Spielfilm der Schweizer Regisseurin Christine Repond, gelingt dies durch genaue, unparteiische Beobachtung, die sich weder sentimental anbiedert noch kritisch distanziert. Beides hätte schnell passieren können in dieser Geschichte über die plötzliche Erschütterung einer reifen Beziehung, die in der Anlage an das britische Drama „45 Years“ (2015) mit Charlotte Rampling erinnert. Meredith (Barbara Auer) und André (Robert Hunger-Bühler) führen ein eingespieltes Mittelschichtleben in Zürcher Hanglage, er ist Architekt, sie spielt Tennis, kümmert sich um Garten und Enkel.

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Farb- wie Gemütslage bewegen sich zuverlässig in einer spätwinterlichen Grau-Blau-Beige-Palette. Trotz seiner schlanken achtzig Minuten nimmt sich der Film Zeit für die Routinen einer Welt, in der alles gepflegt ist: das Haus mit den bodentiefen Fenstern, die Abendessen mit Freunden, die Theaterbesuche und der Sex. Das Dasein ist kontrollierbar und das ärgste Problem die Frage nach dem Saal für die anstehende Feier zum 35. Hochzeitstag.

„Vielleicht dachtet Ihr, wir seien gestorben. Aber wir sind nur verheiratet“ schlägt André als Text für die Einladung vor. Der Scherz bekommt ein abgründiges Echo, als Meredith erfährt, dass sie mit HIV infiziert ist. Zunächst reagiert sie mit Verleugnung. Aber der Verdacht lässt sich nicht unterdrücken, nachdem alle anderen Optionen ausgeschlossen sind: André muss sie angesteckt haben, denn es stellt sich bald heraus, dass er die sexuellen Bedürfnisse, die in ihrem geordneten Leben nicht vorkommen, im Bordell auslebt.

Sex als Nullpunkt der Kommunikation

Der Film ist von da an sehr auf Barbara Auer konzentriert, die das Zerbrechen und Neuzusammensetzen so sensationell unspektakulär spielt, dass ihre Ausbrüche eine besondere Wucht entfalten. Meredith konfrontiert André in der Dusche, greift ihn an, sie kämpfen nackt auf dem Bett: nicht mehr ganz junge, bei weitem nicht perfekte Körper. Hier entsteht eine Intimität mit dem Zuschauer, die nichts Voyeuristisches an sich hat. Sex war das Gift, das die Beziehung zerstört hat, allein durch Reden ist es nicht zu bekämpfen. Der – in den wichtigen Gewerken von Frauen verantwortete – Film zeigt, wie Sex zum Nullpunkt der Kommunikation wird, von dem aus ein neues, anderes Verhältnis aufgebaut werden kann.

Die nüchterne Erzählhaltung erweist sich als besondere Qualität, denn so kann „Vakuum“ ohne Scheu auf Körper und Krankheit schauen: alternde, begehrende, kranke Körper. Medikamente nehmen. Kotzen. Frieren. Für krank erklärt werden und mit einem Mal krank sein. Die Arztpraxen und Therapiegruppen fügen sich als neue Schauplätze nahtlos in die Szenerie, in ihren gedeckten Farben ebenso wie in ihrer spezifischen Mischung aus Expertise und Ratlosigkeit. Schließlich macht sich das Paar gemeinsam auf den Weg zurück in die Normalität, versehrt und zugleich beschenkt mit einem Neuanfang. Die Krise als Chance: auch das wieder ein Klischee und trotzdem gelegentlich zutreffend.

In Berlin in der Brotfabrik, FK 66, fsk

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