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Kultur: Verbotene Wahrheit

Jean-Charles Brisard hat ein Problem. Am Donnerstag sollte er rund 20 Journalisten "Die verbotene Wahrheit" über die Vertrickungen der USA und Saudi-Arabiens mit Osama bin Laden, den Taliban und dem islamischen Fundamentalismus verraten.

Jean-Charles Brisard hat ein Problem. Am Donnerstag sollte er rund 20 Journalisten "Die verbotene Wahrheit" über die Vertrickungen der USA und Saudi-Arabiens mit Osama bin Laden, den Taliban und dem islamischen Fundamentalismus verraten. Doch es gibt wohl kein Thema, dass die Medien in den vergangenen Monaten so beherrscht hat wie dieses. Viel Neues hatten Brisard und sein Verleger, Ernst Piper vom Pendo-Verlag, deshalb nicht zu berichten, als sie nun in Berlin die deutsche Ausgabe des Ende 2001 in Frankreich erschienenen Buches vorstellten. "Die verbotene Wahrheit" gehört zu jenen 11. September-Schnellschüssen, die den ersten Wissensdurst der schockierten Öffentlichkeit stillten, eine fundierte Analyse aber vermissen lassen. Will jetzt noch jemand die Übersetzung lesen?

In diesem Fall können sich Verlag und Autor beinahe glücklich schätzen, dass in der Schweiz ein Halbbruder bin Ladens gegen den Vertrieb der "verbotenen Wahrheit" geklagt hat. Auf diese Weise lässt sich der Aufmerksamkeitswert noch ein wenig erhalten. Die USA hingegen haben nichts gegen das Buch von Brisard und Mitautor Guillaume Dasquié unternommen - und wohl auch keine Lehren aus ihm und anderen Publikationen gezogen. Obwohl Saudi-Arabien als Hauptfinanzier des weltweiten muslimischen Extremismus gilt, steht das Land bis heute nicht auf der amerikanischen Liste der Schurkenstaaten. Eine kritische Analyse der US-Außenpolitik, die nach Ansicht von Fachleuten die Menschen in der muslimischen Welt zutiefst frustriert, hat ebenfalls nicht stattgefunden. George W. Bush ist weit davon entfernt, seine Unterstützung für autoritäre Regime in der Region aufzugeben oder sich stärker um eine Lösung des Nahost-Konflikts zu bemühen. Jeder hat eben seine eigene Wahrheit - ob verboten oder nicht.

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