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Elisabeth Leonskaja ist die Grande Dame der russischen Pianistenschule.

© Foto: Marco Borggreve

Verfemte Komponisten: Vergangenheit hörbar machen

Die große Pianistin Elisabeth Leonskaja erinnert in der Berliner Konzertreihe „Musica reanimata“ an den Musiktheoretiker und Komponisten Philip Herschkowitz.

Von Tye Maurice Thomas

Seit über 30 Jahren widmet sich der Verein „musica reanimata“ in Gesprächskonzerten der Wiederentdeckung in der NS-Zeit verfolgter Komponist:innen. Im Werner-Otto-Saal des Konzerthauses steht an diesem Samstag der Komponist und Musiktheoretiker Philip Herschkowitz im Mittelpunkt. 1906 im rumänischen Iaşi geboren, siedelte er 1927 nach Wien über, wo er bei Alban Berg und Anton Webern studierte.

Der von beiden propagierten Zwölftontechnik blieb Herschkowitz sein Leben lang treu. 1938 floh er vor den Nazis über Taschkent nach Moskau, wo er als Privatlehrer für Musikanalyse wirkte und zahlreiche Musiker:innen anzog. Erst kurz vor seinem Tod durfte er nach Wien ausreisen, wo er 1989 starb.

Philip Herschkowitz im Exil.
Philip Herschkowitz im Exil.

© Foto: Victor Suslin

Das Konzert zeigt Herschkowitz im Kontext Weberns, Schönbergs und zeitgenössischer Kompositionen von Dimitri Smirnov und der anwesenden Elena Firsova. Leider krankt der Abend sowohl an der Grundidee, als auch an ihrer Umsetzung. Herschkowitz lehrte ausschliesslich Musiktheorie und hinterliess nur wenige Werke; alles vor seiner Flucht ist verschollen, sein Nachlass ruht in einer Wiener Bibliothek.

Ob er sich überhaupt als Komponist verstand, bleibt unklar. Die als seine Schülerin angekündigte Firsova kannte ihn kaum, und ihr Mann Smirnov hatte nur einige Stunden Musikanalyse bei ihm. Ein kompositorischer Bezug zu Herschkowitz ist nicht erkennbar.

Die fahrig wirkende Moderatorin Bettina Brand klebt am Manuskript. Ein lebendiger Dialog zwischen ihr und ihren Gesprächspartnerinnen Firsova, der Flötistin Ulrike Anton vom Wiener Partnerverband Exilarte und Elisabeth Leonskaja, der Grande Dame der alten russischen Pianistenschule, findet nicht statt. Leonskaja, die bei Herschkowitz Unterricht in Formenanalyse nahm, möchte sich auf ihre Auftritte konzentrieren und beteiligt sich sichtlich ungern am Gespräch.

Gemeinsam mit dem Cellisten Friedemann Ludwig holen Leonskaja und Anton das Möglichste an Klangsinnlichkeit aus den schwer zugänglichen Werken heraus. In Herschkowitz „3 Stücken für Cello und Klavier“ blitzt immer wieder dessen galliger Humor durch, den Leonskaja kurz erwähnt. Den weiteren Konzerten der Reihe ist eine bessere Programmplanung und eine lebendige Musikvermittlung zu wünschen, um Vergessenes zu neuem Leben zu erwecken. 

Das nächste Konzert der Reihe musica reanimata findet am 9. November statt. Karten unter: 030-203092101 oder www.konzerthaus.de/de/tickets-service

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