
© Christian Black / Lucasfilm Ltd.
Vernichtende Bewertungen für „Star Wars“-Serie: Warum ich Folge 4 von „The Acolyte“ trotzdem kaum erwarten kann
In der neuen Disney+-Serie präsentiert sich „Star Wars“ als Krimi, mit einer Mordserie und dunklen Mächten im Hintergrund. Teile des Internets ätzen gegen „The Acolyte“, aber mit dem Inhalt hat das wenig zu tun.
Stand:
Seit der Übernahme durch Disney ist „Star Wars“ dem Vorwurf ausgesetzt, die neuen Filme seien wegen ihrer weiblichen und diversen Besetzung „zu woke“. Der Vorwurf kommt häufig aus einer Ecke der Fangemeinde, die „Star Wars“ als eines von vielen Schlachtfeldern für den Kulturkampf missbraucht, der eben längst auch die Popkultur erreicht hat.
Auf Online-Filmdatenbanken wie „imdb“ bekommt nun die neue Serie „The Acolyte“ auffällig viele negative Bewertungen von Usern. Bereits der Trailer war auf harsche Ablehnung gestoßen, man spricht in diesem Fall von „Review Bombing“, dem gezielten „Bombardieren“ mit vernichtenden Kommentaren im Internet. Liest man sich die Meinungen durch, geht mindestens ein Teil der Ablehnung offensichtlich darauf zurück, dass die Serie eine diverse Besetzung hat. Mit dem tatsächlichen Inhalt hat diese Kritik also nichts zu tun.
„The Acolyte“ gehört zu den vielversprechenden „Star Wars“-Serien
„The Acolyte“ zeigt sich in den ersten drei Folgen als eine der „Star Wars“-Produktionen, die in der von Nostalgie geprägten Disney-Ära des Franchises den Wunsch nach etwas Neuem erfüllt. So wie es zuvor zum Beispiel auch die Serie „Andor“ tat, wo „Star Wars“ zum politischen Thriller wurde und das bekannte Gut-Böse-Schema moralischen Grautönen wich. Mit „The Acolyte“ wird „Star Wars“ nun erstmals zur Krimi-Serie und offenbar geht es dabei auch den Jedi an den Kragen.
Achtung, es folgen Spoiler zu den ersten drei Folgen. 100 Jahre vor den Ereignissen von „Star Wars 1: Die dunkle Bedrohung“ sind die Jedi in „The Acolyte“ auf dem Höhepunkt ihrer Macht und eine Art Polizei im Dienst der prosperierenden galaktischen Republik. Manche von ihnen aber stehen auf einer Todesliste und werden nach und nach getötet. Die Identität der Mörderin wird dabei gleich am Anfang preisgegeben. Eine junge Frau namens Mae (Amandla Stenberg), die wie die Jedi über besondere Kräfte verfügt, will Rache für ein tragisches Ereignis aus ihrer Kindheit auf ihrem Heimatplaneten, in das auch eine Jedi-Gruppe verwickelt war.
Ein Mysterium wird nach und nach enthüllt

© IMAGO/Capital Pictures
Die Suche nach der Täterin, Krimi-Fans als „Whodunit“ bekannt, spielt in „The Acolyte“ offensichtlich keine Rolle. Viel spannender ist, was sich scheibchenweise enthüllt: In Folge 3 sehen wir in einer langen Rückblende, wie Mae und ihre Zwillingsschwester Oshie von den Jedi mitgenommen werden sollen, um sie fernab ihrer Heimat auszubilden. Die Mädchen leben als einzige Kinder in einem Orden aus Hexen, Mae will dort bleiben, Oshie mit den Jedi weggehen. Mae verursacht in ihrer Wut über die Entscheidung ihrer Schwester ein Feuer und am Ende der Folge sind alle erwachsenen Bewohnerinnen der Hexen-Burg tot, ohne dass die genauen Umstände aufgeklärt werden. Fortsetzung folgt.
Mit seiner um ein vergangenes, tragisches Mysterium kreisenden Handlung setzt sich „The Acolyte“ deutlich von vielen anderen „Star Wars“-Geschichten ab. Darüber hinaus lädt auch die Verbindung zwischen der Serie und dem großen Ganzen zum Rätseln ein. Auch wenn „The Acolyte“ zeitlich weit entfernt angesiedelt ist von den hinreichend bekannten Abenteuern der Skywalker-Familie um Anakin, Luke und Leia, bietet gerade Folge 3 ganz wunderbares Futter zum Spekulieren darüber, wie die mysteriösen Ereignisse mit dem Bekannten zusammenhängen.
Nerds dürfen spekulieren
Die Zwillingsschwestern Mae und Oshie sind laut Folge 3 das Ergebnis einer unbefleckten Empfängnis, die unbedingt ein Geheimnis bleiben muss. Dabei war offenbar die Macht im Spiel. „Star Wars“-Fans denken an dieser Stelle sofort an Anakin Skywalker, den späteren Darth Vader, der ebenfalls keinen biologischen Vater hatte und dessen Geburt damit die Basis von Legendenbildung ist. Wer hingegen noch tiefer drinsteckt in der Materie, weil er oder sie das Online-Lexikon „Wookieepedia“ liest oder die „Star Wars“-Bücher, denkt sogar noch einen Schritt weiter.
Vor allem aus der „Star Wars“-Literatur ist bekannt, dass die Sith – die bösen, lange Zeit nur im Hintergrund agierenden Erzfeinde der Jedi – von dem Bestreben besessen sind, Leben mithilfe der Macht zu erzeugen (auch im Film „Star Wars 3: Die Rache der Sith“ dreht sich ein Dialog um diese größenwahnsinnige Vorstellung). Stecken also die Sith hinter der Geburt der Schwestern? Gibt es in „The Acolyte“ etwa eine Verbindung zu den Vorgängern des auch popkulturell sehr bekannten Sith-Lords Palpatine, dem sinistren Kuttenträger aus den Filmen?
Längst ist im Internet-Forum „Reddit“ eine fröhliche, spekulative Diskussion über diese Frage entbrannt. Das Fandom, anderorts in toxische Grabenkriege über Wokeness verstrickt, zeigt sich an dieser Stelle von seiner besten, liebenswürdig-nerdigen Seite.
Die Serie ist zugänglich und nerdig
Um Gefallen an „The Acolyte“ zu finden, braucht es aber kein Expertenwissen. Bisher ist die Serie zugänglich für neue Zuschauer und wirft trotzdem den Nerds ihre geliebten Köder hin. Sie hat auch ein gesundes Verhältnis zwischen dem Bewährten und dem Neuen. Dazu gehört vor allem die Darstellung der altehrwürdigen Jedi.
In der ursprünglichen „Star Wars“-Trilogie aus den Siebzigern werden uns die Jedi als untergegangener, ritterhafter Orden der Gerechtigkeit präsentiert, deren Tradition der junge Held Luke Skywalker schließlich fortführen wird. In der später veröffentlichten Vorgeschichte – den „Star Wars“-Prequels aus den Neunzigern – erfahren wir, wie Lukes Vater Anakin vom Jedi-Ritter zum Totengräber des Ordens wurde, verführt von den Lügen der Sith. Das Bild der Jedi bekommt dabei zwar erste Risse, da wir auch die problematische, dogmatische Seite dieser Organisation irgendwo zwischen intergalaktischer Polizei und Sekte zu sehen bekommen. Doch es besteht trotzdem kein Zweifel, dass das wirkliche Problem eines von außen ist, nämlich die Sith.

© IMAGO/Capital Pictures
Die Jedi verdienen Kritik
Inzwischen wurden in den medial vielfältigen „Star Wars“-Geschichten immer mal wieder Versuche unternommen, den Jedi-Orden selbst mit seiner Ideologie und seinen Regeln infrage zu stellen. „The Acolyte“ könnte dabei weitergehen als zumindest alle anderen Filme und Serien, darunter auch „Ahsoka“ von 2023, wo die Kritik im Ansatz steckenblieb. Der Auftritt der Jedi in den ersten drei Folgen von „The Acolyte“ ist jedenfalls bemerkenswert ambivalent.
Mit dem Jedi-Meister Sol (gespielt von „Squid Game“-Star Lee Jung-jae) sehen wir einen Vertreter, der freundlich und integer die Ideale des Ordens verkörpert, so wie ihn Generationen von Zuschauern kennen und schätzen gelernt haben. Andererseits zeigen sich die Jedi in „The Acolyte“ von einer arroganten, geradezu bedrohlichen Seite, wenn sie in Folge 3 beim Hexen-Orden vorstellig und dabei als Eindringlinge inszeniert werden. „Star Wars“-Fans wissen seit Jahren, dass es bei den Jedi üblich ist, sehr junge Kinder in den Orden aufzunehmen und damit von ihren Familien zu trennen. In „The Acolyte“ wirken die ach so edlen Ritter an der entsprechenden Stelle aber schon fast wie Kidnapper.
In der neuen „Star Wars“-Serie geht es den Jedi an den Kragen und zumindest bisher sieht es so aus, als dürfte man das durchaus doppeldeutig verstehen. Folge 4 kann gar nicht schnell genug kommen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: