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Kultur: Von der Lust an den Lichtbildern

Auf der Spur nach dem Wesen der Dinge: ein Rückblick auf die Fotoauktion in der Berliner Villa Grisebach

Mit einem soliden Spektrum, das die insgesamt verhaltene Situation auf dem hiesigen Fotografie-Markt spiegelte, läutete die Villa Grisebach am Donnerstag ihre Herbst-Versteigerungen ein. Weitgehend moderate Schätzungen brachten, trotz des anhaltend schwachen Dollarkurses, vor allem amerikanische Bieter auf den Plan, die dann auch die fünf höchsten Zuschläge des Nachmittags gewährten. Einen ganz eigenen Rekord stellte ein Privatsammler aus den USA auf, der über zwei Dutzend Lose ersteigerte.

An die Spitze kletterte Dorothea Langes Ikone der sozialdokumentarischen Fotografie „Migrant Mother“ von 1936, die eben diesem Bieter inklusive Aufgeld 29500 Euro wert war. Dass der Abzug aus den Vierzigerjahren stammte, störte den Enthusiasten dabei ebenso wenig wie bei einer Kassette der 1906 in Karlsruhe geborenen Ellen Auerbach, die er zum unteren Schätzwert von 12000 Euro erhielt. 1993 hatte die Grande Dame der Fotografie noch einmal zwölf Motive der Jahre 1933 bis 1959 herausgegeben. Gemäß ihrer Prämisse „nicht nur das zu zeigen, was man vordergründig sehen kann, sondern das darunter liegende Wesen der Dinge darzustellen“, nimmt sich das Konvolut wie die Summe des fotografischen Lebens der im August in New York verstorbenen Auerbach aus. Mit einem Zuschlag bei 18000 Euro verdreifachte derselbe Sammler außerdem die Erwartungen für einen wunderbar ausmodulierten Akt des Briten Bill Brandt. Doch damit nicht genug: Frantisek Drtikols ebenfalls mit 6000 Euro bewerteten Doppel- Akt sicherte er sich für 12 500 Euro.

Lediglich bei Hugo Erfurth gab sich der Telefonbieter geschlagen. Das Bildnis von Max Beckmann, in dem der große Porträtist wahrlich das „Geheimnis eines Lebens in dem schmalen Raum zwischen Stirn und Kinn zu erfassen“ vermochte, stieg von 8000 schlussendlich auf insgesamt 24 780 Euro.

Wählerisch wurde die zeitgenössische Offerte angenommen. „Ein Ein-Sehen haben“, überschrieb Urs Stahel vom Fotomuseum Winterthur einmal einen Text über Axel Hütte. Kein Einsehen hatte das Publikum in der Villa Grisebach mit dessen kapitaler Farbfotografie „Alexanderplatz“, die bei einem Limit von 12000 Euro in den Nachverkauf wanderte. Wohingegen Andreas Gurskys Kleinformat aus der Reihe „Sonntagsbilder“, mit einer schaulustigen Menschenmenge auf dem Düsseldorfer Flughafen, per schriftlichem Auftrag bei 8500 Euro oberhalb der Taxe abgegeben wurde. Wolfgang Tilmanns, Beat Streuli und Michael Najjar konnten mit jeweils zwei aufgerufenen Losnummern nur zur Hälfte reüssieren. Bei einer Rückgangquote von etwas mehr als 30 Prozent erzielte die Auftakt-Auktion dennoch den unteren Gesamtwert. Während die Konkurrenz momentan mit ihren Fotografie-Ergebnissen erst gar nicht rausrückt, zeigt man sich im Hause Grisebach mit erzielten 611000 Euro sehr zufrieden.

Villa Grisebach, Fasanenstraße 25. Am heutigen Sonnabend werden ab 10 Uhr rund 390 Werke der „Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts“ versteigert; ab 15 Uhr wird im „Third Floor“ Kunst mit Schätzpreisen bis 3000 Euro aufgerufen.

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