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KUNST Stücke: Warm-up

Michaela Nolte besucht ganz entspannt 80 Berliner Galerien

Nach dem Kunstmarathon im vergangenen Jahr verspürt man durchaus das Bedürfnis zu verschnaufen. Was liegt da näher, als den nächsten winterlichen Rundgang mit einem Buch zu beginnen? Lesen sei ohnehin Reisen im Kopf, hat der Dichter Ossip Mandelstam gesagt. Als Begleiter empfehlen sich zwei Bücher, die von ihren Autorinnen komplett überarbeitet worden sind und nun in neuer Auflage durch die zeitgenössische Kunst führen.

Lückenlos zu informieren vermag Berlin Contemporary bei geschätzten 400 hauptstädtischen Galerien natürlich nicht. Dafür stellen Angela Hohmann und Imke Ehlers rund 80 erfolgreiche oder vielversprechende Galerien anschaulich vor und frischen alle, die schon in der letzten Ausgabe vertreten waren, mit aktuellen Informationen auf. So legen sie bei Max Hetzler den Schwerpunkt auf Darren Almonds herausragende Ausstellung „Night + Fog“, die vergangenen Sommer in den großen Hallen von Hetzler Temporary im Wedding präsentiert wurde. Daneben gibt es mehr als zwei Dutzend Neuzugänge: Micky Schubert oder Sandra Bürgel hatten bei der ersten Drucklegung noch nicht eröffnet, während Martin Mertens, Birgit Ostermeier und Sebastian Klemm für ehemalige Produzentengalerien stehen, die sich nun unter eigenem Namen profilieren. Hinzu kommen Etablierte aus dem In- und Ausland wie Jablonka, Buchmann oder Peres Projects, die ganz an die Spree umgezogen sind oder zumindest eine Dependance eröffnet haben.

Für den Lesegenuss bringen die Autorinnen nicht nur Fakten und Einschätzungen rund um die Künstler und ihre Werke, sondern füttern die Porträts dazu mit allerlei Persönlichem an. Das erhellt nicht immer die Kunst, ist bisweilen aber kurzweilig und wirft ein Licht auf das gewandelte Berufsbild. So verbringen Galeristen wie Matthias Arndt ihre Zeit inzwischen überwiegend im Flugzeug, um zwischen den Dependancen zu pendeln, und üben sich Newcomer wie Julius Werner oder Lena Brüning nicht mehr in Bescheidenheit, sondern blicken zielstrebig auf den internationalen Markt, sammeln schon im ersten Jahr Messe-Erfahrung und verfügen über ein „beneidenswertes“ Rüstzeug: Julius Werner als Sohn des Kölner Galeristen Michael Werner, Lena Brüning als Enkelin des legendären Alfred Schmela, der ab Ende der 50er Jahre von Düsseldorf aus Kunstgeschichte schrieb. Dank des einführenden Essays, das die Dynamik der Kunstmetropole in jüngerer Zeit nachzeichnet und zugleich ein Plädoyer für die hiesige Galerienarbeit ist, erweist sich „Berlin Contemporary“ (Jovis Verlag, 192 S., 18 Euro) als Galerien-Verführer, der Lust auf die nächsten Rundgänge macht.

Kritischer fällt Claudia Herstatts Blick auf das globale Kunstgeschehen aus. Schließlich, weiß die Hamburger Kunstjournalistin, dass „der Handel mit der schöngeistigen Ware nicht unbedingt seine Geschäftsmethoden adelt.“ In diesem Sinn möchte Herstatt mit ihrer ebenfalls aktualisierten und erweiterten Publikation gleichen Titels Fit für den Kunstmarkt machen. Gegen die undurchsichtigen Mechanismen setzt sie ein profundes Training, mit dem Kunstliebhaber die Tücken des Marktes durchschauen lernen können. Ein geeignetes Warm-up mit vielfältigen Informationen, besonders für Einsteiger (Hatje Cantz Verlag, 213 S., 14,80 Euro).

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