Kultur: Was Sie über Frauen wissen sollten
... aber nie zu fragen wagten: Gayle Tufts über Hormone, Hitzewallungen – und ihre neue Show.
Neuerdings wird Gayle Tufts immer wieder darauf angesprochen, wie schlank sie geworden ist. „Manche tun gerade so, als ob ich eine Verräterin sei“, erzählt sie amüsiert beim Gespräch in der Stage Factory, ihrem Steglitzer Probenort. Andere wollen handfeste Diättipps von ihr. „Ich bin doch nicht Karl Lagerfeld!“, entrüstet sich Tufts. Und erklärt dann: „Ich habe zehn Kilo weggeschlafen, zehn Kilo weggeweint, und der Rest war Sport und Ernährung.“ Die amerikanische Entertainerin, die seit mehr als 20 Jahren in Berlin lebt, hat eine turbulente Zeit hinter sich. Mit 50 ist sie in die Wechseljahre gekommen. Ihre Mutter ist gestorben. Und sie hat die größte Show ihres Lebens kreiert, „Everybody’s Showgirl“.
Diese einschneidenden Erfahrungen verarbeitet sie in ihrem Buch „Some like it heiß“, das soeben im Verlag Ruetten & Loening erschienen ist. „Das sollte zunächst ein witziges Buch über die Wechseljahre werden“, sagt Tufts. Bis sie dann eines Tages in Tränen aufgelöst ihren Lektor anrief. „Wenn ich das schreibe, möchte ich ehrlich sein. Dazu muss ich in mich gehen.“ Sie erhielt einen Aufschub – und klammert nun auch die schmerzlichen Ereignisse wie den Tod der Mutter nicht aus. Doch wenn sie die Malheurs beim Verstreuen der Asche auf Pleasant Beach schildert – eine Szene, die an den Film „The Big Lebowski“ erinnert –, dann ist das zugleich zum Lachen und zum Weinen. Überhaupt ist das Buch in dem munteren Tonfall geschrieben, den man von ihr kennt – und natürlich auf „Denglish“, der lustigen Kreuzung aus Deutsch und Englisch, die ihr Markenzeichen geworden ist.
Das deutsche Wort Wechseljahre mag sie nicht, gesteht Tufts. „Das klingt so, als würde man ausgewechselt.“ Ihre irisch-amerikanische Mutter sprach von „The Change“. Die Veränderung. „I’m going through The Change“ war eine beliebte Ausrede, um einen zweiten Wodka Tonic zu bekommen – oder in Ruhe gelassen zu werden. Für eine Entertainerin vom Schlage Gayle Tufts ist es eine Herausforderung, sich dem Thema mit tabulosem Witz zu nähern. Das beweist sie auch in ihrer neuen Show, die am heutigen Mittwoch Premiere in der Bar jeder Vernunft hat. „Die Show ist ein Tribut an meine Mutter. Ein Tribut an viele Frauen“, erklärt Tufts. „Es ist mein bislang weiblichstes Programm – aber ich möchte die Männer nicht ausschließen.“ Gayle Tufts ist glücklich, dass mittlerweile auch Hetero-Männer zu ihr kommen. Am Anfang ihrer Karriere waren es vor allem „Girls und Schwule“. In „Some like it heiß“ werden die Männer Dinge über Frauen erfahren, die sie nicht zu fragen wagten – weil sie es nie so genau wissen wollten.
Dass die Wechseljahre immer noch ein Tabuthema sind, musste auch Tufts feststellen. „Man kann heutzutage offen über alles sprechen dank Internet. Mit dem Geständnis, dass ich Rollenspiele als Dschihadistin in ,World of Warcraft’ liebe, würde ich niemanden schocken. Aber sobald ich von den Wechseljahren spreche, ist das Gespräch zu Ende.“
Doris Dörrie hat ja schon mit ihrer Mini-TV-Serie „Klimawandel“ Pionierarbeit geleistet, wo die Frauen um die 40 zum Hormon-Yoga gingen und dennoch komplett durchknallten. Und die britische Comedy-Serie „Suburban Shootout“ handelte von Frauen aus der Vorstadt, die sich illegal hoch dosierte Hormonpflaster aus Frankreich besorgen und im anschließenden Östrogenrausch die Tänzer einer russischen Balletttruppe vernaschen.
Auch Tufts erzählt mit schöner Offenheit und einer großen Portion Selbstironie von Hitzewallungen, Heulkrämpfen und den Demütigungen im Fitness-Studio, wenn die 22-jährige Pilates-Trainerin einen anbrüllt. Powerhouse aktivieren! Und sie unternimmt amüsante medizinische Exkurse zu Hormonen und Hypothalamus, denn auch das weibliche Gehirn ist während der Menopause „on fire“. Die Zeit der Scham ist jedenfalls vorbei. Sie ist erklärte Feministin, obwohl sie der Natur nicht immer ihren Lauf lässt und gern High Heels trägt.
Die Kapitel tragen Überschriften wie „Hot Stuff“, „Rock your Body“ oder „The sweetest Taboo“ und lesen sich wie eine Playlist. In Kapitel sechs „Straight Up“ gibt Tufts zehn ehrliche Antworten auf die Frage: Bin ich schon drin? Abstreiten ist zwecklos, wenn man sich schon öfters gefragt hat: Is it hot in here or is it me? Und in Kapitel 13 „I will survive“ verrät sie Überlebenstechniken, um gut durch die Heißzeit zu kommen.
Bei Tufts ist nicht zu befürchten, dass eine larmoyante Nabelschau herauskommt. Sie hat endlich gelernt, „es reicht“ zu sagen. Und schleudert allen ein „Fuck you!“ entgegen, die Frauen einreden wollen, dass es sich bei den Wechseljahren um eine Krankheit oder einen Defekt handelt. „Fuck eine Welt, die nicht das Leben und alle seine Wandlungen zelebriert!“, ruft Tufts. Sie empfiehlt allen Frauen: „Let’s get this party started.“
Mit ihren 51 Jahren wirkt Gayle Tufts fit und lebenslustig. Ihr Elan und ihr Witz sind umwerfend. Von einer Hormonersatztherapie will sie nichts wissen. Sie schwört auf Schüßler-Salze, frische Luft und Sport. „Ich glaube fest daran! Wir müssen in Bewegung bleiben – körperlich und seelisch, unser ganzes Leben lang.“ Eine Lektion hat sie jedenfalls gelernt: Jeder Körper ist anders. Und jede Frau erlebt diese Zeit anders. Einige ihrer Freundinnen aus New York, Ex-Tänzerinnen wie sie, haben ihr versichert: Geht doch!
Und so wird sie sich nicht wie andere Sängerinnen aus der Affaire ziehen, einfach „Fever“ singen und sich dazu lasziv räkeln. Sieben neue Songs hat Gayle Tufts zusammen mit dem Pianisten Marian Lux geschrieben. Ein Song über die Eierstockarbeiterinnen ist auch dabei. „ ,Some like it heiß’ ist ein Happening für die ganze Familie“, sagt Tufts. „Denn eigentlich ist es eine Show über das Erwachsenwerden – mit 51!“
Bar jeder Vernunft, Premiere: 4. April, 20 Uhr, bis 6.5., Di–Sa 20 Uhr, So 19 Uhr.