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Kultur: Weltkirchenkonferenz: Brauchen wir eine Weltkirche?

Annäherung heißt das Ziel. Und Einheit lautet die Herausforderung.

Annäherung heißt das Ziel. Und Einheit lautet die Herausforderung. "Oikumene" ist das griechische Wort für "bewohnbare Welt". Und die Ökumene ist angetreten, um das Ziel zu erreichen und um die Herausforderung anzunehmen. Sie ist angetreten, um für die Einheit der Welt-Kirchen zu ringen. Dafür steht beispielsweise der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), dessen Zentralausschuss noch bis zum Dienstag in der brandenburgischen Landeshauptstadt Potsdam tagt. Doch anstatt Schritte der Annäherung zu machen, tritt man in Potsdam auf der Stelle. Der ÖRK muss sich um den eigenen Zusammenhalt sorgen. Die Zeichen stehen auf Sturm, besorgte Delegierte fragen bereits offen, ob der Weltkirchenrat überhaupt noch gebraucht werde. Der Grund sind neue Kontroversen, die sich zum Beispiel anhand der Gewaltfrage entzünden.

Ausgerechnet der Präsident des Weltkirchenrates Aram I aus dem Libanon war es, der die Gewalt als Mittel zu Herstellung von Gerechtigkeit gelten lässt. Als Beispiel führte er den bewaffneten Kampf der Palästinenser an. Und erntete dafür heftigen Widerspruch der Delegierten.

Thesen, die provozieren

Der Berlin-Brandenburgische Bischof Wolfgang Huber äußerte sich schließlich auch zu dem brisanten Thema. Gerade in Brandenburg sei es im Hinblick auf rechte Täter notwendig, über Gewalt zu reden. Auch wenn das gleichzeitig traurig stimme. Es gehe dabei um Rechtsextreme und um Gewalt gegen Frauen und Kinder. Huber: "Die Gewalt äußert sich oft so, dass es keine andere Möglichkeit der Antwort gebe. Trotzdem sollte die Theorie vom gerechten Krieg überwunden sein." Damit traf Huber den Kern, das Dilemma, die alte Frage, wann Gewalt zur Verteidigung erlaubt ist und wann sie nur noch Gegengewalt darstellt.

Das Thema beschäftigte die Delegierten auch außerhalb der Tagungsräume, und viele empfanden es als Widerspruch, dass Aram I mit seinen Thesen provozierte, während klar war, dass am heutigen Sonntag mit einem Gottesdienst in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche die vom ÖRK initiierte Dekade zur Überwindung von Gewalt eröffnet werden soll.

Auch Donnalie Cabey, aus dem westindischen Antigua in der Karibik, hat gute Gründe, warum sie fordert, dass die Kirchen an dieser Stelle nicht mit gespaltener Zunge reden. "Sehr oft", so erzählte sie, "stoßen wir auf eine Festung der Ablehnung, wenn wir nach Europa kommen. Farbige gelten fast überall sofort als Asylanten oder Einwanderer."

Hinter vorgehaltener Hand

Das Gewaltthema aber ist es nicht allein, um das die Delegierten sich sorgen. Es geht auch um fehlende Gleichberechtigung, um mangelnde Solidarität, Dinge also, die nicht förderlich sind für das Klima der Ökumene. Vor allem die Orthodoxen machen Druck. Während zur Zeit des Kalten Krieges die Kirchen spürbar zusammenhielten und sogar eine Brücke zwischen Ost und West waren, scheinen sie sich im Zeitalter der Entspannung jetzt selbst hinter einem eisernen Vorhang zu verschanzen. So jedenfalls sehen es viele Delegierte aus Osteuropa. Sie beklagen, dass sie im ÖRK nur als Minderheit wahrgenommen würden. Hilarion Alfejev, russisch-orthodoxer Priester aus Moskau, sagt: "Solange hier auf der Konferenz keine Parität herrscht, brauchen wir gar nicht zu diskutieren."

Die protestantischen Kirchen halten den Orthodoxen wiederum vor, selbst zu hierarchisch gegliedert und noch immer frauenfeindlich zu sein, um jetzt für sich mehr Gleichheit beanspruchen zu können. Offen wird das zwar nicht diskutiert, dafür aber um so heftiger auf den Fluren und hinter vorgehaltener Hand. Das Gefühl der Fremdheit scheint sich zwischen den verschiedenen Gruppen zu verstärken. Vor allem die orthodoxe Kirche beansprucht ihren Platz, auch mehr Platz. Die drei großen Konfessionen haben ihre unterschiedlichen Traditionen ausgeprägt. Die alte Frage aber ist noch immer aktuell: Gelingt der Balanceakt, sich zu einigen, gelingt es, die Orthodoxen mit einzubinden? Dann erst kann die Ökumene neue Kraft schöpfen.

Doch die Tagung des Weltkirchenrats zeigt, dass die Gräben noch tief sind. Trotz der pessimistischen Einschätzung vieler, was die Zukunft der Ökumene angeht, fordert Bischof Wolfgang Huber: "Der ökumenische Rat muss eine Zukunft haben, man kann nicht nur bei schönem Wetter zueinander stehen, sondern muss jetzt gemeinsam durch die schwierige Phase hindurch."

Auch die hannoversche Bischöfin Margot Käßmann denkt, dass die Zeiten ein einheitliches Handeln der Kirchen und gebündelte Kräfte fordern. Themen wie die Gentechnik und Globalisierung würden das bitter nötig machen. In Zeiten, wo wir täglich fragten, was macht der Dax, aber nichts über unseren Nachbarn wüssten, habe die Kirche genug zu tun und das weltweit, sagt die Bischöfin.

Susanne Tenhagen

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