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Die Brüder Adam und Johnny Blake von Zoot Woman.

© Jon Furley

Zoot Womans Album "Star Climbing": Weltraumtänzchen mit einem melancholischen Roboter

Zoot Woman prägten in den nuller Jahren das Achtziger-Revival. Auf ihrem vierten Album „Star Climbing“ flirtet die britische Electropop-Band mit technoiden Elementen.

Maschinen sind nicht unbedingt die besseren Menschen. Aber die besseren Musiker manchmal schon. Von Kraftwerk bis Daft Punk haben das diverse Pop-Roboter bewiesen. Jetzt hat sich ein Neuzugang in diese Reihe geschlichen. Er tarnt sich mit humanoidem Äußeren, dunklen Sakkos und einem akkuraten Kurzhaarschnitt. Seine Gesangsstimme ist sanft, fragil und betörend. Sie hat etwas Unwirkliches, fast Übermenschliches. Der Supercomputer HAL in Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ klang so ähnlich.

Johnny Blake heißt dieser Sänger, Zoot Woman seine Band. Und die hatte schon immer viel für Maschinen übrig. So coverte sie auf ihrem Debütalbum vor 13 Jahren Kraftwerks „The Model“ und ihre erste Hitsingle trug den Titel „It’s Automatic“. Der eingängige Synthie-Pop des britischen Trios rief Erinnerungen an Bands wie New Order, Human League, Duran Duran oder die Pet Shop Boys wach, noch bevor das Achtziger-Revival der nuller Jahre mit Acts wie La Roux, MGMT oder Empire Of The Sun richtig losging. Zoot Womans „Living In A Magazine“ war eines der glamourösesten und besten Alben dieser bis heute nicht ganz abgeebbten Welle. Auch der unbetitelte Nachfolger zwei Jahre später fiel kaum schwächer aus. Die Kritik feierte die Band der drei Schulfreunde aus dem englischen Reading, doch zu großen Stars wurden sie nie. Dafür nahm die Karriere ihres Masterminds und Produzenten Stuart Price Fahrt auf: Madonna engagierte ihn als musikalischen Direktor für zwei ihrer Tourneen, außerdem produzierte er mit „Confessions On A Dancefloor“ (2005) das letzte wirklich gelungene Studioalbum der Queen of Pop. Es folgten Kollaborationen mit Größen wie den Killers, Scissor Sisters, Kylie Minogue, Coldplay oder den Pet Shop Boys.

Der 36-jährige Price hat mittlerweile ein Studio in Los Angeles. Hier entstanden große Teile des gerade erschienen vierten Zoot-Woman-Albums „Star Climbing“ (Embassy One), an dem die Gruppe drei Jahre lang gearbeitet hat. Die Briten entfernen sich darauf ein ganzes Stück vom songorientierten Elektropop der Vorgängerwerke und flirten stärker als je zuvor mit reduzierten technofizierten Dancesounds. Die Beats sind härter, oft 4 to the floor, Gitarren spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Maschinen haben die Macht übernommen. Es hämmert, tackert und stampft gewaltig im Eröffnungsstück „Don’t Tear Yourself Apart“ oder dem nervösen „The Stars Are Bright“, bei dem überdies die ersten Anzeichen des Roboter-Coming-Outs von Johnny Blake zu erkennen sind: Seine Stimme wird immer wieder für kurze Momente mit einem Zerrfilter belegt, was so klingt, als breche seine wahre, künstliche Identität durch.

Zwei Stücke später, bei „Lifeline“ – der Text besteht lediglich aus sechs Zeilen – verschmilzt Blakes Stimme erstmals komplett mit dem Synthesizer. „When my light goes out is when I need you most“, haucht er noch einmal, bevor die Computer für die restlichen eineinhalb Minuten alleine weiterrotieren.

"Star Climbing" ist Zoot Womans stringentestes Album

Es folgt das tranceartig angelegte Instrumental „Elusive“, bei dem sich hallige Keyboardlinien neben einer monoton gepickten Gitarre in kristalline Höhen schrauben. Vielleicht sogar bis ins All. Denn im anschließenden Abschlussstück ist Sänger Blake offenbar in einem Raumschiff unterwegs. Endgültig transformiert singt er mit Roboterstimme: „Aiming for a landing pad/Giving up the life we had/We can go beyond the view/Live the way we choose to do“. Er fliegt in ein neues, nie zuvor gesehenes Leben – technisch optimiert wahrscheinlich, aber ziemlich entspannt. Denn „Into The Fire“ schwebt in mittlerem Tempo durch einen verträumt-transparenten Klangraum, in den es sogar eine Akustikgitarre geschafft hat.

„Star Climbing“ ist das bisher in sich geschlossenste, konzeptionell stringenteste Album der Briten. Statt auf eine Sammlung schneller, bunter Hits wie auf ihrem Debüt setzen sie auf einen großen Albumbogen. Zoot Woman haben eine kühle, schillernde Platte gemacht, was die kongeniale Covergestaltung bereits andeutet: Vor einem schwarzen Hintergrund ist eine durchsichtige leicht nach außen gewölbte Würfelform zu sehen, rechts schimmern Spektralfarben. Von den Kanten streben spinnwebenzarte Linien zum Rand des Bildes. Man kann darin ein subtiles Zitat des „Dark Side Of The Moon“-Covers von Pink Floyd sehen. Einen ähnlichen Klassikerstatus wird das vierte Zoot-Woman-Album zwar mit Sicherheit nicht erlangen. Dafür ist es aber eine der spannendsten Synthie-Pop-Platten dieses Jahres.

Besonders gelungen sind der von ferne an die Killers erinnernde Song „Coming Up For Air“ sowie das mit einer unwiderstehlichen Keyboardhook ausgestattete „Nothing In The World“, in denen Zoot Woman ihre ganze Melancholie-Meisterschaft entfalten. Falls demnächst mal wieder Touristen ins All fliegen, sollten sie zumindest diese beiden Stücke ins Soundsystem ihres Raumschiffs überspielen lassen. Sie wären der perfekte Soundtrack für ein Weltraumtänzchen – und wenn sie Glück haben, saust Blake gerade in seiner Kapsel am Fenster vorbei.

Konzerte: 5.9., 23.20 Uhr beim First We Take Berlin Festival (Astra), 6.9., 23.30 Uhr Berlin Festival (Mainstage), 7.9., 15.30 Uhr Auf-den-Dächern-Festival.

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