
© AFP/MANDEL NGAN
Wenn die Demokratie bedroht wird: Amerika ist nicht verloren
Erleben die USA unter Donald Trump aktuell eine „Gleichschaltung“, die mit den Ereignissen in Deutschland 1933 vergleichbar ist? Nein - denn überall in den Staaten wächst der Widerstand.

Stand:
Wenn man nicht mit ignorantem Antiamerikanismus à la Wagenknecht geschlagen ist, weiß man: Die schärfsten Kritiker Amerikas waren immer Amerikaner. Sie lehrten uns Deutsche in der Nachkriegszeit: Zur Demokratie gehört die Debatte. Deswegen das Geschenk der Amerika-Gedenkbibliothek als Zentrum der Breitenbildung, des Henry-Ford-Baus als Zentrum einer streitbaren Universität sowie der spektakulär geschwungenen Benjamin-Franklin-Halle als Kongresshalle.
Von den USA haben wir gelernt, was Freiheit bedeutet
Und darüber stand immer das Versprechen: Wir werden Europa nie wieder wie nach 1918 alleine lassen, wenn es - wie derzeit in der Ukraine - um Freiheit und Demokratie geht. Derzeit aber, nach dieser schrecklichen Trumpisten-Woche, muss ich Ratlosigkeit gestehen. Ich sitze gerade eines Forschungsprojekts wegen viel in einem Berliner Hochschularchiv. Eine bis in die Architektur des Hauses ganz und gar amerikanisch-freundliche, weltoffene Einrichtung. Es geht um das Schicksal von Studierenden an der Vereinigten Staatsschule für Bildende und angewandte Kunst (VS) seit der Machtübergabe an die Nazis 1933.
Die VS war das Paradeprojekt der demokratischen preußischen Kulturverwaltung. Sofort nach Regierungsübernahme Hitlers wurde ein neuer Direktor eingesetzt, der nun stolz mit dem bereits 1927 erworbenen Parteibuch wedelte (dass er bis dahin geheim gehalten hatte). Praktisch halbwöchentlich kamen neue Anweisungen aus dem Kultusministerium, wer noch lehren dürfe und wer aus politischen Gründen gehen müsse, wie der Lehrplan auszusehen habe, wie nunmehr als „Juden“ betrachtete Deutsche, „Reichsausländer“ oder „Volksdeutsche“ aus Polen, der Tschechoslowakei oder Österreich zu behandeln seien.
Der Gedanke beim Lesen der Akten ist unabweisbar: All dies scheint wie ein Vorbild des Trump-Sturms auf die USA. Auch, dass es so gar keine großen Demonstrationen gegen diesen Angriff auf allen Menschen dienenden Staat zu geben scheint. Doch der Blick in amerikanische Medien zeigt: Die USA erleben derzeit nicht ihr 1933. In den Gerichten, den Gewerkschaften, den Bundesstaaten, den Verwaltungen, den Wissenschaften und Hochschulen, Museen, Bibliotheken, Kirchen oder Vereinen wächst der Widerstand gegen die Demontage der Freiheit täglich.
Es gibt sicher auch die Schwäche des Parlaments und der Parteien, die Unterwürfigkeit großer Unternehmen und Institutionen, verbunden mit Rücktritten und vorauseilendem Gehorsam. Man kann die Dramatik der Trump-Musk-Vance-Revolution also gar nicht scharf genug zeichnen. Aber man sollte wirklich nicht von „Gleichschaltung“ sprechen, wie es derzeit in Deutschland so schnell geschieht. Die Unmenschlichkeit, der Hass, die Diktatur triumphierten 1933 nur aufgrund der Selbstaufgabe der deutschen Bürger. Davon ist in den USA derzeit nach allem Überblick keine Rede.
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