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Juro Kubiceks Gemälde „Netze im Wind“ entstand 1946.

© derda Berlin / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Pioniere des Berliner Kunsthandels: Wie sie überlebten

75 Jahre Galerie Gerd Rosen: Das Kunsthaus Dahlem erinnert an die Zeit nach 1945 mit Avantgarde-Ausstellungen, Tanz und kruden Geschäften.

Wer sich für die Kunsthandelsgeschichte der Berliner Nachkriegszeit interessiert, stößt prompt auf die Galerie Gerd Rosen. Nur anderthalb Jahrzehnte existierte sie und gehört doch zu den maßgeblichen Orten der Stadt, an denen das Kulturleben wieder zu blühen begann. Sie nahm nach 1945 als erste ihren Betrieb auf – noch vor den Museen und Kunstämtern – und zeigte ab August Monat um Monat Ausstellungen mit Werken der noch kurz zuvor als „entartet“ verfolgten Moderne sowie junge Positionen. Heckel, Kirchner, Nolde, Schmidt-Rottluff, Chagall, Kokoschka, Kollwitz, Macke, Feininger, Klee waren hier sogleich zu sehen, ganz früh auch Heinz Trökes, der erste künstlerische Leiter.

Die Teilnehmerlisten – rekonstruierbar durch die zu jeder Ausstellung gedruckten Faltblätter – lesen sich wie das Who’s who der jüngeren Kunstgeschichte. Aus Anlass des 75. Jahrestags der Galeriegründung erinnert nun das Kunsthaus Dahlem, das sich der Nachkriegsmoderne und insbesondere der Skulptur bis 1961 widmet, an die Macher der ersten Stunde: den Buchhändler Gerd Rosen, den Sammler Max Leon Flemming und den Maler Heinz Trökes, die am Kurfürstendamm 215 das Experiment wagten.

Die exzellent recherchierte Kabinettausstellung zum ersten Jahrfünft der Galerie ist eine höchst aufschlussreiche Lektion zu Kunst als Überlebensmittel, zu Feierlaunen und krummen Geschäften des Neubeginns. Gezeigt werden rund 30 Werke etwa von Karl Hartung, Alexander Camaro, Willi Baumeister, Mac Zimmermann oder Werner Heldt, die in den ersten Ausstellungen zu sehen waren oder zumindest aus dieser Schaffensphase stammen. Manches wurde für die Ausstellung zum ersten Mal wieder hervorgeholt. Hinzu kommen Plakate und Einladungen zu den legendären Festen der Galerie, etwa dem Fantastenball, sowie Fotografien aus der Frühzeit.

Die Foto-Dokumente sind besonders aufschlussreich

Die Aufnahmen in Schwarz-Weiß verleihen diesem aufschlussreichen Ausflug in die jüngere Vergangenheit einen besonderen Charme. Auf einer trägt Heinz Trökes mit Zigarette im Mund ein Gemälde von sich quer durch den Tiergarten, eine surrealistische Figur ist darauf schattenhaft zu sehen, während im Hintergrund des Parks die preußischen Feldherren noch auf ihren Postamenten stehen. Auf Geheiß der Alliierten werden sie später verscharrt. Ein echtes Dokument.

Auf einer anderen Fotografie zwinkert der spindeldürre Mac Zimmermann vor der Galerie stehend in die Kamera, die Entbehrungen sind seinem schmalen Gesicht anzusehen. Hinter ihm scharen sich Neugierige vor dem Galerieschaufenster, das immer wieder für Skandale sorgte. Insbesondere eine Picasso-Ausstellung provozierte: Man sollte die Fenster einschmeißen, was für eine Papierverschwendung, notierten die US-Behörden als Aussagen von Passanten. Und: „We were so proud, when finally we got rid of our ,Entartete Kunst‘ (...) and now they have the nerve to show us dirt again.“

Flug der Steinvögel“ von Heinz Trökes aus dem Jahre 1946. Das Werk befindet sich heute in der Kunstsammlung des Karlsruher Instituts für Technologie.
Flug der Steinvögel“ von Heinz Trökes aus dem Jahre 1946. Das Werk befindet sich heute in der Kunstsammlung des Karlsruher Instituts für Technologie.

© derda Berlin / VG Bildkunst Bonn 2020

Draußen gab es Ärger mit den Ewiggestrigen, drinnen drängte sich bei Vorträgen und Lesungen das nach neuer Kunst hungernde Publikum. Trökes erinnerte sich später, wie das Wasser die Wände runterlief, so feucht war die Luft vom Atem der dick in Schals und Mäntel gepackten Besucher. Statt Eintrittsgeld wurde um Briketts oder Kartoffeln gebeten. Die Stimmung war trotzdem gut.

Zum Schutz des Schaufensters wurde zeitweilig britische Militärpolizei abgeordnet, die dafür bei den Festen der Galerie mitfeiern durfte, wie das Foto der mit Papierschleifen und -blumen dekorierten Besatzungsoffiziere bezeugt. Vermutlich verschafften sie den Alkohol für die üppigen Gelage.

Doch so aufgeschlossen und ausgelassen man sich in der Galerie Rosen gab, auf einem Auge blieb man blind. Woher kamen die Bilder der Expressionisten, die an den Wänden hingen oder zunehmend versteigert wurden, als die Geschäfte durch Währungsreform immer weniger liefen? Für die Quellen, möglicherweise aus dem Besitz verfolgter jüdischer Sammler, interessierte sich anders als heute niemand.

Ob Galeristen oder Sammler: Alle sahen sich als Opfer Hitlers

Und: Hatte Gerd Rosen als von den Nationalsozialisten geduldeter Buchhändler jüdischer Abstammung tatsächlich die 15 000 Bände umfassende Bibliothek des Kunsthändlers Karl Buchholz geplündert, wie der ihm zum Vorwurf machte? Geklärt wurde der Fall nie. Die Rede des Kunstpublizisten Edwin Redslob, des späteren Mitbegründer der Freien Universität und des Tagesspiegels, anlässlich der ersten Vernissage macht deutlich, wo sich die Ausstellungsmacher sahen, insgesamt die deutsche Bevölkerung: sämtlich als Opfer Hitlers.

In der illustren Teilnehmerliste der Galerie finden sich zwar viele Künstler, die unter dem NS-Regime durch Berufsverbot und Ausschluss aus der Reichskulturkammer gelitten hatten, Hans Uhlmann saß für seine Überzeugungen sogar anderthalb Jahre in Tegel ein, jüdische Opfer aber fehlen, hat Kunsthaus-Chefin Dorothea Schöne festgestellt.

Doch damit stand die Galerie Rosen im Berlin der Nachkriegszeit nicht allein. Einzige Ausnahme: 1947 präsentierte die ebenfalls am Kurfürstendamm residierende Galerie Maecenas Werke des 1943 in Auschwitz ermordeten Juli Levin und des 1945 in Buchenwald gestorbenen Franz Monjau.

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Auch wenn Schatten auf die Galerie fallen, Gerd Rosens Geschäftsgebaren schließlich zum Bruch mit Karl Hartung, Jeanne Mammen, Mac Zimmermann, Heinz Trökes und Hans Uhlmann führte, der als zweiter künstlerischer Leiter wirkte, so schmälert dies die Pionierleistung der Galerie nicht. Hier fand die junge Avantgarde ihren ersten Ausstellungsort, hier begann der neue Diskurs. Das erste Jahrfünft war furios.

Die Folgen de Kalten Krieges brachten den Kunsthandel zum Erliegen

Doch dann begann die Galerie zu straucheln. Sie setzte verstärkt auf Antiquariat und Auktionen, musste schließlich in die Hardenbergstraße 7 umziehen. Die Folgen des Kalten Krieges führten zum Einbruch, die Käufer blieben aus. Der Versuch, 1960 eine Dependance in Frankfurt am Main zu eröffnen, scheiterte.

Ein Jahr später starb Gerd Rosen, im Jahr darauf wurde auch die Berliner Galerie geschlossen. Heute erinnert eine Gedenktafel am Kurfürstendamm 215 an den Mitbegründer und Namensgeber. Dort, wo alles begann.

[Kunsthaus Dahlem, Käuzchensteig 12, bis 9. 8.; Mi–Mo 11–17 Uhr.]

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