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Film „Sterben für Beginner“: Eric (Edin Hasanovic) und Volker Mutz (Peter Kurth).

© ZDF und PaW / Hardy Spitz

ZDF-Film „Sterben für Beginner“ : Der Club der fröhlichen Bestatter

Ein Berliner versucht, mit dem drohenden Tod seines besten Freundes umzugehen, indem er Bestatter wird. Der Film zeigt: Pietät kann heilsam sein. Verpflichtend ist sie nicht.

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Pietät funktioniert nach klaren Regeln. Um das Andenken Verstorbener zu bewahren, steckt man sie in messingbeschlagene Kisten, die in dunkle Gruben gesenkt werden, an denen Hinterbliebene dann in schwarzem Gewand leise schluchzen.

Zumindest bis sich ein mysteriöser Gast im Gebüsch nebenan herumdrückt, woraufhin die Witwe im Regenmatsch ausrutscht und auf dem Sarg landet. Gut, der letzte Teil gehört natürlich nicht zum traditionellen Teil westlicher Sepulkralkultur.

Bereits vor 24 Jahren lockerte Alan Ball mit der Serie „Six Feet Under“ über einen jungen Mann, der das Bestattungsunternehmen seiner Familie übernimmt, das fiktionale Standardrepertoire für Begräbnisse auf, in dem er das Korsett der pietätvollen Impulskontrolle entzerrte. Auf diesen Pfaden lässt man nun auch im ZDF die Witwe ins Grab plumpsen.

Der Titel ist Programm

Als Erics Kumpel Alex (Max Hubacher) eine Krebsdiagnose erhält, setzt sich der arbeitslose Musikmanager erstmals mit unserer Endlichkeit auseinander und heuert bei Volker Mutz (Peter Kurth) an – ein Beerdigungsbetrieb von branchenüblicher Tristesse.

Oben leistet der abgebrühte Bestatter Dienst nach Vorschrift. Unten pflegt die Leichenwäscherin Anita (Luna Jordan) seltsame Riten. Dazwischen entdeckt Eric (Edin Hasanović) sein Faible für kundenfreundliche Trauerarbeit und lernt nebenbei, mit der Krankheit seines besten Freundes umzugehen.

Der Titel „Sterben für Beginner“ ist also Programm in dieser Tragikomödie im Spannungsfeld unserer westlich-industrialisierten Zivilisation, die das Sterben und seine Verwaltung weitestgehend vor den Lebenden verbirgt.

Der Tod im Imagewandel

Die verbreitete Überzeugung, dass der Tod zwar etwas Unvermeidliches, aber gleichzeitig Unzumutbares ist, verband ihn lange mit der Geburt. Es ist daher auch ein Zeichen der Zeit, wie locker die Charaktere in Christian Klandts Verfilmung von Christian Wredes Sachbuch „The End“ über beides reden.

„Bist du Team Abflug?“, fragt die Geburtshelferin (Martina Schöne-Radunski), als sie ihren One-Night-Stand Eric beim Krankenhausbesuch wieder trifft. „Ich bin Team Ankunft!“ So locker ist der Tonfall erst seit Entstehen und Vergehen zunehmend aus dem Würgegriff der Scham befreit werden.

In der Realität wie in der Fiktion geht es heute zwangloser ins Jenseits. Anke Engelke demonstrierte das 2020 als Trauerrednerin in der Netflix-Serie „Das letzte Wort“, kurz nach Ricky Gervais, der in seiner Mockumentary „After Life“ an gleicher Stelle proklamierte: „Wir sind nicht nur hier, um zu trauern, sondern auch, um zu feiern.“ Darum geht es auch in „Sterben für Beginner“.

Anrührender Mix aus Familiendrama und Freundschaftsfeier

Weil der Hirntumor droht, den Berliner Kindskopf aus einer erfüllenden Existenz mit eigener Kneipe und schwangerer Freundin (fantastisch: Svenja Jung) zu reißen, verweigert Alex das Trauern und animiert sein Umfeld, ihr Leben zu feiern.

Nicht so ganz einfach für jene, die wie Eric hingebungsvoll mit dem Schicksal hadern. Dank Benedikt Gollhardts berührendem Drehbuch gerät dieses Ansinnen allerdings weder eskapistisch noch pathetisch.

Wie Karlas Schwiegereltern zum Beispiel darum kämpfen, ihren Sohn in der süddeutschen Heimat zu begraben, während Eric versucht, in Volkers Familienbetrieb den Tod zu akzeptieren. Das ist ein so anrührender Mix aus Familiendrama und Freundschaftsfeier, Milieu- und Gesellschaftsstudie, dass er durchaus mehr Zeit verdient hätte. Einerseits.

Denn andererseits kommt er auch in 90 Minuten perfekt auf den Punkt. Der da lautet: Pietät kann heilsam sein. Verpflichtend ist sie nicht. Nicht mehr. Ein Glück. Wie dieser Film.

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