
Ausstellung in Leipzig: Zurück zu Lara Croft
Generation Game: In der G2 Kunsthalle in Leipzig untersuchen junge Künstlertalente den Einfluss früher Computerspiele auf ihre ästhetische Wahrnehmung.
Das Ende ist so offen wie der Anfang der Geschichte und die Handlung dazwischen eine einzige Abfolge von thrills. Man sitzt in einem schwarzen Plastikzelt und schaut den animierten Figuren von Julius Hofmann bei der Arbeit zu. „Might of Young Engines“, sein knapp 20-minütiges Video, fährt auf, was ein Spiel in der imaginären Welt des Digitalen braucht: düstere Szenen voller Gewalt, die der Künstler mehr andeutet als zeigt. Dick bereifte Autos, Muskelmänner und zum Schluss noch eine Akteurin à la Lara Croft. Die Story ist ähnlich sinnlos zusammengepuzzelt wie jene Figur, deren Brüste wie halbe Melonen vor dem Körper schweben und bei jeder Bewegung wegzufliegen drohen.
Diese low end-Version ist typisch für das künstlerische Werk von Hofmann, der sicher auch in der Lage wäre, seine Story zeitgemäßer aufzubereiten. Doch das interessiert den ehemaligen Meisterschüler von Neo Rauch überhaupt nicht. Lieber blickt er zurück auf Abenteuer wie „Tomb Raider“, die in ihrer frühesten Ausgabe schon zwanzig Jahre alt sind und gametechnisch damit aus der Steinzeit kommen. Hofmann, Jahrgang 1983, pflegt das Überkommene, der Blick ist nostalgisch, sein Ansatz ein künstlerischer: Er setzt sich mit dem Medium seiner Kindheit auseinander und untersucht dessen Einfluss auf die ästhetische Wahrnehmung seiner Generation.
Ihre Studien überzeugen, selbst wenn man keinerlei ähnliche Erfahrungen gemacht hat
Die aktuelle Ausstellung in der Leipziger G2 Kunsthalle „Colors of Descents“ führt drei solcher Positionen vor. In den Räumen zeigen auch Robert Seidel und Tobias Hild ihre Arbeiten. Beide konzentrieren sich auf die Malerei, während Hofmann seine Ideen sowohl filmisch als auch auf Leinwand umsetzt. Und doch wandeln sie alle auf den Spuren der eigenen Vergangenheit, um „dem Einfluss der visuellen Strukturen von Computerspiel-Grafiken der frühen 90er Jahre“ auf die Spur zu kommen, wie der Text zur Schau präzise erläutert. Das Ergebnis ihrer Studien ist so überzeugend, dass man keineswegs ähnliche Erfahrungen gemacht haben muss, um sich für die Arbeiten zu begeistern. Hild sammelt Eindrücke aus dem Alltag und konstruiert aus seinen Beobachtungen neue, fantastische Räume. Seidel, dessen sonst gegenständliche Motive ein wenig an die belebten Motorräder von Konrad Klapheck erinnern, liefert mit „Game Over“ und „Ready“ 2015 zwei Abstraktionen zum Thema. Eine basiert auf den bunten Tetris-Quadraten, die andere konstruiert ein Labyrinth. Die Faszination dieser Strukturen basiert auf der Technik des Künstlers: Er nutzt Eitempera, lässt sie leuchten und im selben Moment brüchig wirken. Die Werke gehören einer privaten Berliner Sammlung, ihre Station in Leipzig macht deutlich, wie der Ausstellungsraum dort funktioniert.
Hinter der G2 Kunsthalle steht Steffen Hildebrand. Der gebürtige Frankfurter ging kurz nach der Wende nach Leipzig. Sein Geld hat er seitdem als Unternehmer gemacht und das ehemalige DDR-Rechenzentrum, Sitz der Kunsthalle, gekauft. Das dritte Geschoss der leicht brutalistischen Architektur ist kein Büro mehr, sondern ein Parcour lichter, hoher Räume mit Zwischenwänden und spannenden Sichtachsen. Hier, im Zentrum der Stadt gleich gegenüber der Thomaskirche, sind seit 2015 auf über 1000 Quadratmetern Teile von Hildebrands Sammlung zu sehen. Anfangs konzentriert auf die Leipziger und hier nur die jüngere Generation. Hildebrand besitzt wichtige Werke von Neo Rauch wie „Fremde“ (2016) oder „Treffen“ (2013), auf dem Männer mit Mini-Baggern spielen oder gespannt dem Kampf zweier Hirschkäfer zusehen. Dazu gesellen sich Werke von Tilo Baumgärtel, Katrin Heichel, Rosa Loy, David Schnell, Jochen Plogsties oder Matthias Weischer. Ergänzend kamen später dann einige internationale Positionen hinzu. Wer die Sammlung heute besucht, sieht in der Fensternische die schwebende und teils verspiegelte Polyeder-Installation „M82/M+1“ von Tomás Saraceno, Zeichnungen von Raymond Pettybon und das monumentale Bild „Fun de Siècle“ (2002) von Daniel Richter, das in diversen institutionellen Ausstellungen zu sehen war.
Die Kunst zieht an einem Ort zusammen
Hildebrand verleiht gern, aber als die Sammlung immer mehr wuchs, war es Zeit für einen eigenen Schauraum – den einzigen privaten in Leipzig. Inzwischen leiht er selbst gern für die wechselnden Ausstellungen dazu, die Teil des Konzeptes geworden sind. „Colors of Descents“, kuratiert von der jungen Kunsthistorikerin und Direktorin der Halle Anka Ziefer, ist ein gutes Beispiel für diesen Dialog. Hildebrand lässt ihr freie Hand, engagiert sich im Förderverein des Museums der Bildenden Künste in Leipzig und hat just einen Kunstpreis für Meisterschüler der Akademie ausgeschrieben, der mit 10 000 Euro dotiert und der einjährigen Nutzung eines künftigen Ateliers im Gebäude verbunden ist. So zieht sich die Kunst an einem Ort zusammen.
Kunsthalle G2, Dittrichring 13, Leipzig; Öffnungszeiten: Mi 15–20 Uhr, Rundgänge: Mo 11 Uhr, Do–So 15 Uhr, Anmeldung unter: www.g2-leipzig.de