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Keine buchstabengetreue Verfilmung des Volker-Kutscher-Romans: Gereon Raths Freundin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) erhält in der TV-Serie „Babylon Berlin“ eine durchaus anrüchige Seite.

© Frédéric Batier/ARD Degeto/X-Filme/Beta Film/Sky

"Babylon Berlin" in der ARD: „Das wird der Serienstart des Jahres“

ARD-Programmchef Herres verteidigt die Kooperation mit dem Pay-TV-Sender Sky bei „Babylon Berlin“. Über die Modalitäten für Staffel drei wird gerade verhandelt.

Lieber Herr Herres, wer in den vergangenen Wochen die ARD eingeschaltet hat, kam an den Werbeeinblendungen für „Babylon Berlin“ nicht vorbei. Haben Sie Sorge, dass zu viele Menschen die 16-teilige Serie bereits bei Sky gesehen haben?

Im Gegenteil: Es spricht für die Attraktivität der Serie, dass sie bei den Sky-Abonnenten so gut angekommen ist. Im Ersten feiert „Babylon Berlin“ jetzt Free-TV-Premiere vor großem Publikum und dafür werben wir selbstverständlich im eigenen Programm.

Der Beitragszahler finanziert mit 15 Millionen Euro einen großen Teil der Produktion, trotzdem sieht er die Serie erst ein Jahr später als der Sky-Abonnent. Ist das kein Grund, sich zu ärgern?

Die 15 Millionen kann ich ausdrücklich nicht bestätigen, es war deutlich weniger und bewegt sich im Rahmen dessen, was wir für fiktionale Produktionen kalkulieren. Zu den genauen Zahlen haben die Partner Stillschweigen verabredet. Und nein, ich ärgere mich nicht, denn wir haben die Pay- wie die Free-Rechte zu marktüblichen Preisen bewertet und vereinbart. So haben wir das erreicht, was wir wollten: Die Premiere von „Babylon Berlin“ für das Gesamtpublikum im Ersten.

Bei welchen Zuschauerzahlen können Sie sagen, die Kooperation zwischen der ARD und Sky ist ein Modell für die Zukunft?

An der Serie sind vier Partner beteiligt: ARD Degeto, Sky, Beta Film und X Filme Creative Pool. Eine Zuschauerzahl als Erfolgskriterium haben wir ARD-intern nicht vorgegeben. Ich gehe davon aus, dass „Babylon Berlin“ am Sonntag den meistgesehenen Serienstart des Jahres hinlegt.

Der "Tatort"-Sonntag als beste Startrampe

„Babylon Berlin“ startet auf dem erfolgsverwöhnten Sonntagabend-„Tatort“- Platz. Um die zehn Millionen Zuschauer sind dort keine Seltenheit. Inwieweit orientieren Sie sich bei der Verfilmung des Kutscher-Romans an diesen Werten?

Wir wollten die beste Startrampe für „Babylon Berlin“ und das ist der Sendeplatz am Sonntag um 20 Uhr 15 im Ersten. Ein 90-minütiger Film und drei Serienfolgen über 135 Minuten lassen sich aus Quotensicht nur schwer miteinander vergleichen. Wenn das Publikum „Babylon Berlin“ ähnlich gut annimmt wie unsere Sonntagskrimis, wäre das großartig.

Bei der internationalen Vermarktung von „Babylon Berlin“ sieht man, dass Kooperationen wie diese durchaus ihre Berechtigung haben können. Gibt es tatsächlich keine Alternativen für das deutsche Fernsehen im Konkurrenzkampf gegen Amazon und Netflix?

Um die Kosten in vertretbarem Rahmen zu halten und auf diesem Niveau produzieren zu können, braucht es bei einer Produktion wie „Babylon Berlin“ starke Partner. Die ARD hat sich aber nicht beteiligt, um gegen Netflix und Co. anzutreten, sondern weil wir von der Qualität der Serie überzeugt sind.

Parallel zum Serienstart gibt es eine begleitende Dokumentation, ARD-Anstalten wie der RBB ergänzen „Babylon Berlin“ mit einer Podcast-Serie. Was gibt es sonst noch?

Neben der TV-Dokumentation „1929 – Das Jahr Babylon“ und der Hörspielreihe „Der nasse Fisch“ gibt es ein umfangreiches Online-Angebot mit Bilderstrecken und Videos. Es wird im Ersten, in den Dritten Programmen und im ARD-Radio zahlreiche redaktionelle Beiträge geben. Zum Beispiel begleitet ARD alpha den Start der Serie mit einem dreiteiligen Programmschwerpunkt.

In der ARD-Mediathek stehen die neuen Folgen jeweils zwei Tage vorher zur Verfügung? Was versprechen Sie sich davon?

Die ersten acht Folgen werden mit Ausstrahlung der Folge eins am kommenden Sonntag bis sieben Tage nach Ausstrahlung der Folge acht in der Mediathek abrufbar sein. Gleiches gilt für die Folgen neun bis 16: Sie stehen ab Ausstrahlung der Folge 9 am 18. Oktober bis sieben Tage nach der Erstausstrahlung der Folge 16 online. Die Möglichkeit zur zeitunabhängigen TV-Nutzung ist für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer ein Mehrwert, den wir gerne anbieten und der nach unseren Erfahrungen den Erfolg der linearen Ausstrahlung nicht beeinträchtigt.

Wie wird sich die Aufteilung bei Produktion und Finanzierung der dritten Staffel zwischen Sky und der ARD von den ersten beiden Staffeln unterscheiden?

Es wird ein ähnliches Modell wie bei Staffel eins und zwei sein.

Wird die ARD bei den Fortsetzungen wieder ein Jahr bis zur Ausstrahlung warten müssen oder gibt es dazu auch andere Modalitäten?

Hier werden die Modalitäten gerade vereinbart. Wichtig für uns ist, die Free-TV-Premiere in eine zuschauerstarke Jahreszeit zu platzieren.

Bei der im Oktober 2017 gestarteten Sky-Ausstrahlung war das Interesse der Pay-Seher schon im Januar erloschen, wie Sie wissen. Warum dennoch die lange Wartezeit bis zum ARD-Start?

Weil es mit den Partnern vertragliche Absprachen gab und nach einem Jahr mit Sportgroßereignissen der Frühherbst ideal für die Ausstrahlung im Ersten ist.

"Zwölf Stunden Hochspannung in Kinoqualität"

Was macht Sie sicher, dass die ARD-Zuschauer eine Geschichte über sieben Sendetermine verfolgen?

Die Serie wird das Publikum in ihren Bann ziehen, weil sie brillant erzählt und optisch überwältigend ist. „Babylon Berlin“, das sind zwölf Stunden Hochspannung in höchster Kinoqualität.

Stört es Sie nicht, dass sich die drei Autoren bei der Umsetzung von „Der nasse Fisch“ so viele Freiheiten gelassen haben? Im Buch von Volker Kutscher fehlt die Anspielung auf Konrad Adenauer und auch das Kriegszittern von Gereon Rath und die Rotlicht-Geschichten von Charlotte Ritter kommen nicht vor.

Es war nicht das Ziel, den Roman eins zu eins abzufilmen, sondern mit seiner Adaption eine spannende 16-teilige Serie zu schaffen. Volker Kutschers Urteil darüber ist eindeutig: „Es macht Freude zu sehen, wie unglaublich gut ,Babylon Berlin‘ diese komplexe Geschichte erzählt.“

„Babylon Berlin“, ARD, Sonntag, Folge eins bis drei, am Donnerstag laufen die nächsten drei Folgen, dann jeweils donnerstags die übrigen zehn Episoden der beiden ersten Staffeln, Start jeweils um 20 Uhr 15.

Volker Herres ist seit 2008 Programmdirektor des Ersten Deutschen Fernsehens. Mit ihm sprachen Joachim Huber und Kurt Sagatz.

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