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Die Autorin Annie Ernaux auf einer Pressekonferenz, nachdem sie den Nobelpreis gewonnen hat.

© AFP / Foto: JULIEN DE ROSA / AFP

Nobelpreisträgerin und Nahostkonflikt: Annie Ernaux würde den Test auf Antisemitismus schwerlich bestehen

Die französische Autorin Annie Ernaux hat den Nobelpreis für Literatur gewonnen. Dabei ist ihre politische Haltung sehr problematisch.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Was ihre Literatur so besonders macht, ist das eine – was sie als Person problematisch macht, das andere. Denn die französische Schriftstellerin Annie Ernaux (82), gerade mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet, würde den 3-D-Test auf Antisemitismus schwerlich bestehen.

Dieser Test ist eine Möglichkeit, legitime Kritik an der Politik Israels, an dessen Regierung, von Antisemitismus zu unterscheiden. 3-D-Test bedeutet: Wenn Aussagen Israel dämonisieren, delegitimieren oder doppelte Standards anlegen, sind sie antisemitisch.

Ernaux ist überzeugte Anhängerin der Bewegung BDS. Die will erklärtermaßen den Staat Israel mindestens schwächen, durch Boykotte und Sanktionen. BDS bediene sich antisemitischer Methoden, hat der Bundestag geurteilt.

Die „Jerusalem Post“ berichtet außerdem, dass Ernaux 2019 mit mehr als 100 anderen französischen Künstlern zum Boykott des Eurovision Song Contest in Tel Aviv aufgerufen hat. Das französische Fernsehen wurde von den Künstlern in einem Brief aufgefordert, die Veranstaltung nicht zu übertragen – weil es Israel ist, die sie ausrichtet.

Ernaux will keine Zusammenarbeit mit Israel

Ernaux lehnt auch Kulturzusammenarbeit mit Israel ab. „Es ist eine moralische Verpflichtung für jeden Menschen mit Gewissen, die Normalisierung der Beziehungen zum Staat Israel abzulehnen“, heißt es in einem weiteren Schreiben, das die Schriftstellerin mitgezeichnet hat.

Die Literatur-Nobelpreisträgerin bezeichnete Israel mehrmals als „Apartheidstaat“. Und in ihren Stellungnahmen spielt palästinensische Gewalt keine Rolle.

Dafür fordert Ernaux laut „Bild“ aber noch die Freilassung eines libanesischen Terroristen. Der sitzt für den Mord an zwei Menschen – an einem israelischen Diplomaten und einem US-Offizier – in einem französischen Gefängnis.

Annie Ernaux: Ihre Bücher mögen ausgezeichnet sein und aller Ehren wert – ihre politische Haltung ist es nicht. In der Kultur grassiert eine Unkultur. Die Documenta lässt grüßen.

Der Autor ist Herausgeber des Tagesspiegels und Kuratoriumsvorsitzender des Deutschen Freundeskreises Yad Vashem.

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