Von Andrea Dernbach: Anschwellende Verbalattacken
Integrationsgipfel, der vierte: Wir brauchen endlich eine Kultur des Respekts
Stand:
Das muss man wirken lassen: „Mit dem Integrationsgipfel am 3. November fällt der Startschuss für den Nationalen Aktionsplan Der Aktionsplan konkretisiert den Nationalen Integrationsplan und entwickelt ihn weiter.“ Es scheint ein Kardinalfehler der sogenannten Integrationspolitik, dass sie so überhaupt nicht zum Event taugt. Wo sie etwas bewirkt, liefert sie keine Bilder, wo nicht, sind es keine schönen. Und wer Events so liebt wie die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, muss ihren inzwischen vierten „Integrationsgipfel“ mit solchen Sätzen ankündigen. Ein Plan nach dem andern, wobei der eine den andern „konkretisiert und weiterentwickelt“ – alles klar?
Man könnte das Gipfelspektakel wie andere abhaken. Doch Integrationspolitik lebt, vielleicht mehr als andere Felder der Politik, von Symbolen. Doch während aus Leerformeln wie der eingangs zitierten in den Medien Überschriften gezimmert werden, sind die Signale des Misstrauens gegen Migranten selten auf Politchinesisch formuliert: Da fehlt in keinem Bekenntnis zur Integration der erhobene Zeigefinger gegen die „Unwilligen“. Da werden die Anforderungen für Zuzügler verschärft. Da spricht der Innenminister von zehn bis fünfzehn Prozent Integrationsverweigerern – was immer er damit meint – und sucht dann nach Belegen. Und da läutet die Kanzlerin das Gipfeltreffen mit einem Interview ein, in dem sie ausgerechnet für das am meisten abgewirtschaftete konservative Mantra eine rettende Neuformulierung präsentiert: Deutschland ist kein Einwanderungsland mehr, heißt die neue Formel. Das sei es nur bis zum Anwerbestopp im Jahr 1973 gewesen.
Wenn schon das Geld, das Integration eben manchmal auch kostet, so zögernd gegeben oder gar gekürzt wird: Könnten nicht wenigstens die Verbalattacken von oben aufhören? Dass Deutschland kein Einwanderungsland sein soll, obwohl ein Fünftel seiner Bewohner ausländische Eltern oder Großeltern hat, ist als Tatsachenbehauptung lächerlich. Jenseits davon ist der Satz beleidigend für die, die selbst eingewandert sind oder aus Einwandererfamilien stammen. Man tut so, als gebe es sie nicht.
Das ist respektlos. Und wenn Bildung denn der Schlüssel zur Integration sein soll, dann ist Respekt sein Schlüsselloch. Sie sind schließlich überall, die Ingenieure, Ärzte, Abgeordneten, Professorinnen mit türkischen oder arabischen Namen, deren Karriere mit dem Satz eines Lehrers begann: „Du wirst nicht mal die achte Klasse schaffen.“ Dass sie es trotzdem schafften, lag oft daran, dass andere an sie glaubten und sie ermutigten.
Natürlich ist Geld nötig, damit solche Erfolgsgeschichten nicht vom Zufall abhängen, damit etwa die Lehrerausbildung nicht mehr für die Gesellschaft der 1950er Jahre ausbildet. Aber damit Behörden bunter und respektvoller auch Neubürgern gegenüber werden, damit Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt aufhört, braucht es keinen Cent Steuergelder, sondern eine Kultur des Respekts. Die kann auch die Regierung fördern. Ganz ohne Gipfel, mit jedem Interview. Kostenlos und jeden Tag.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: