Meinung: Auf dem Weg zur Bombe
Irans Atomprogramm kann gestoppt werden – auch diplomatisch Von Oliver Thränert
Kommt es bald zu einem erneuten Waffengang im Mittleren Osten? Diesmal mit dem Ziel Iran? George W. Bush, der gerade seine zweite Amtszeit als amerikanischer Präsident begann, schließt ein militärisches Vorgehen gegen Teheran nicht aus. Wie im Fall Irak geht es um mögliche nukleare Waffenprogramme. Doch gibt es diesmal einen entscheidenden Unterschied: Europa ist sich – einschließlich der Briten – völlig einig, dass kooperative Lösungen mit Teheran erreichbar sind. In keiner europäischen Hauptstadt ist man derzeit bereit, ernsthaft über Militäreinsätze nachzudenken.
Doch was genau ist das Problem? Iran ist Mitglied des Atomwaffensperrvertrages. Teheran hat damit auf Nuklearwaffen verzichtet. Das Land macht aber sein Recht auf die zivile Nutzung der Kernenergie geltend. Doch eine Reihe von Indizien spricht dafür, dass Iran neben zivilen auch militärische Absichten verfolgt. Sein Programm zur Anreicherung von Uran ist überdimensioniert. Es steht in keinem vernünftigen zeitlichen Zusammenhang mit dem Bau von Kernreaktoren. Denn während die Anreicherungsanlage in Natanz schon weit fortgeschritten ist, wird nur ein Reaktor in Buschehr derzeit fertig gestellt. Weitere Leichtwasserreaktoren sind noch nicht einmal auf dem Reißbrett entworfen. Es liegt daher nahe, dass Iran die Anlage in Natanz nutzen möchte, um Uran für Kernwaffen anzureichern. Außerdem ist in Iran neben Leichtwasserreaktoren auch der Bau eines Schwerwasserreaktors geplant. Dies ist wirtschaftlich unsinnig. Für die Produktion von waffenfähigem Plutonium ist ein Schwerwasserreaktor jedoch gut geeignet. Hinzu kommt, dass Iran über viele Jahre nicht vorschriftsmäßig mit der Internationalen Atomenergiebehörde zusammengearbeitet hat. Teheran hat also selbst das Vertrauen der internationalen Staatengemeinschaft verspielt.
Schließlich investieren die Mullahs in ein anspruchsvolles Raketenprogramm, das nur in Kombination mit einem Atomwaffenprojekt wirklich lohnt. Mittels der gerade erst entwickelten Schahab-3- Rakete, die eine Reichweite von mehr als 1300 Kilometern hat, kann Iran zum Beispiel Israel mühelos erreichen.
Für die Europäer muss es darauf ankommen, eine iranische Atombombe unbedingt zu verhindern. Denn sonst drohte in der europäischen Nachbarregion des Nahen und Mittleren Ostens ein nuklearer Rüstungswettlauf. Saudi-Arabien und Ägypten etwa könnten dem iranischen Beispiel folgen. Außerdem wäre der ohnehin schon in der Krise befindliche Atomwaffensperrvertrag wohl nicht mehr zu retten. Europa würde damit sein wichtigestes diplomatisches Instrument zur Verhinderung der Verbreitung von Kernwaffen verlieren.
Was ist also zu tun? Noch hat die Diplomatie eine Chance. Amerika mag mit dem Säbel rasseln – ein Waffengang dürfte derzeit nicht bevorstehen. Politisch liefe Washington noch mehr als während des Irakkrieges Gefahr, in die Isolation zu geraten. Selbst von London hätte es kaum Unterstützung zu erwarten. Militärisch sind die iranischen Nuklearanlagen nur schwer zu bekämpfen: sie sind weit verstreut, oft verbunkert, und in städtischen Gebieten angelegt. Ob überhaupt alle bekannt sind, ist ungewiss. Vor allem aber verfügt Teheran über nicht unerhebliches Störpotenzial. Es könnte die Schiiten im Irak mobilisieren und Terrororganisationen zu Anschlägen in Israel anstacheln. All dies würde amerikanischen Interessen massiv zuwiderlaufen.
Europa hat somit die Chance, die seit Dezember begonnen Verhandlungen mit Teheran zu einem glücklichen Ende zu führen. Ziel dabei muss es bleiben, das iranische Atomprogramm zweifelsfrei auf seine zivilen Elemente zu beschränken. Dabei setzt Europa auf wirtschaftliche Anreize. Sollte sich Iran aber dauerhaft stur stellen, wäre längerfristig eine Eskalation bis hin zu Militärschlägen nicht mehr auszuschließen.
Der Autor leitet die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik.
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