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Eine Kollage aus ausgeschnittenen Wörtern von Herta Müller ist auf einem Werkstor auf dem Gelände der Uferhallen  zu sehen.

© dpa / Foto: Gerd Roth/dpa

Berlin Art Week, 150 Orte in der Stadt: Wie man die Lust an der Kunst behält

Die Berlin Art Week ist ein großes Fest der Kunst. Aber Machtmissbrauch in Galerien und Skandale wie bei der Documenta können den Spaß trüben. Was hilft: kleiner denken.

Ein Kommentar von Birgit Rieger

Es gibt zumindest ein dickes Problem im Kunstbetrieb, das bei der heute beginnenden Berlin Art Week ganz offiziell angesprochen wird: die Verdrängung von Künstlern und Künstlerinnen aus ihren Ateliers und aus den Innenstadtbezirken. Sie ist seit Jahren in Gang und wird vielfach beklagt. Die Berlin Art Week, die von der landeseigenen Kulturprojekte GmbH veranstaltet wird und Museen, Galerien, Sammlungen bis Sonntag an 150 Orten zu insgesamt 300 Ausstellungen und Events animiert, hat das Zentrum, den zentralen Treffpunkt für diese Kunst-Gemeinschaftsveranstaltung ins Auge des Gentrifizierungs-Orkans gelegt: in die Weddinger Uferhallen.

Gäste können dort Verdrängung live erleben. Während es bereits beschlossene Sache ist, dass auf dem Gelände neue Wohnungen gebaut werden, findet dort noch ein quirliger Atelier- und Kunstbetrieb statt. Es wird geschraubt, gehämmert, ausgestellt. Im Café gehen Künstlerinnen und Künstler ein und aus, die man sonst in dieser Fülle nur auf internationalen Biennalen antrifft.

Indem sie den Scheinwerfer auf diesen gefährdeten Ort lenkt, appelliert die Berliner Politik quasi an sich selbst. Die Stadt hat das Gelände ja selbst einmal besessen und aus der Hand gegeben. Vielleicht richtet sich der Appell ja eher an die kunstaffinen Geschäftspartnerinnen der Investoren – in der Hoffnung, dass sie ihre renditeorientierten Freunde umstimmen: „Schau, wie schön! Ach, lasst doch Platz für die Künstler. Baut nicht diesen 13-stöckigen Turm.“ Das Dilemma: Wenige haben die Macht im Kunstbetrieb

Wenige haben die Macht im Kunstbetrieb

Hier offenbart sich ein weiterer wunder Punkt der Kunstszene: das eklatante Gefälle zwischen der Wirkung des Geldes und der Wirkung der Kunst. Letztere wirkt nämlich am besten dann, wenn Geld im Spiel ist. Wenn sie teuer verkauft oder eindrucksvoll sichtbar gemacht wird.

Aber wirklich Einfluss und Macht haben nur wenige. Die gilt es zu kennen, auf deren Partys gilt es zu sein. Einer von ihnen ist der Berliner Galerist Johann König, dem mehrere Frauen sexuelle Belästigung vorwerfen, die im Getümmel von Eröffnungen geschehen sein soll. Er ist sicher nicht der Einzige. Der Kunstbetrieb ist ein Freundesbusiness. Man mag sich, man nutzt sich. Davon haben viele die Nase voll. Sie wünschen sich schlankere, dezentrale Strukturen, mehr Solidarität untereinander.

Mit einer ähnlichen Idee ist die indonesische Kuratorengruppe Ruangrupa eigentlich auch bei der Documenta angetreten. Dann ist das Ganze grandios gescheitert, und man konnte gar nicht richtig sehen, was sie sich da überlegt hatten. Seit Monaten wird die Schau von einem Antisemitismusskandal überschattet, die jüngsten Vorwürfe wurden erst vor ein paar Tagen publik. Hoffnung auf Verständigung gibt es nicht mehr. Nur noch gegenseitige Beschuldigungen. Kein Wunder, wenn da so manchem die Lust auf die Kunst vergeht, wenn man den Glauben an ihre transformatorische Kraft verliert.

Aber Berlin ist nicht Kassel, und die Berlin Art Week ist nicht die Documenta. Es gibt bei der Art Week auch keine Kuratoren, die die Welt verbessern wollen. Jeder macht seins, was auch nicht immer gerecht ist. Aber viele arbeiten daran, Kunst sichtbar zu machen, auch ohne große Ressourcen. Kleine Galerien, etwa 450 Projekträume, in denen Künstler eigeninitiativ Ausstellungen veranstalten und die immer wieder neue Räume erschließen. Diese Vielfalt macht’s. Und sie funktioniert sogar in der Krise.

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