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Nach gut zweieinhalb Stunden geht es zur Pressekonferenz: Bundeskanzler Olaf Scholz, der niedersächsische Regierungschef Stephan Weil (links) und Hendrik Wüst, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen (rechts).

© Foto: dpa/Kay Nietfeld

Deutschland kann Krise: Bund und Länder seltsam einig – doch es gibt eine Falle

Die Bundesrepublik braucht nichts weniger als ein Kräftemessen der Ampelpartner. Bei der Ministerpräsidentenkonferenz hat sich gezeigt: Es geht doch.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Ach herrje, vergessen all der Ärger. Die können es doch, wenn sie wollen: die Ministerpräsident:innen und der Kanzler sind sich einig. Mag auch nicht die ganze Welt anders sein, wie der Bundespräsident gerade gesagt hat – die deutsche ist es. Darauf mussten die Spitzen der Republik reagieren.

Also: Das im Sommer überaus erfolgreiche 9-Euro-Ticket wird jetzt ein bundesweites Nahverkehrsticket, es soll 49 Euro kosten und monatlich kündbar sein. Bund und Länder werden das Ticket je zur Hälfte finanzieren. Wie sie sich überhaupt so ziemlich alle Kosten teilen. „Unterhaken“ nennt der Bundeskanzler das -, und er hat recht.

Deutschland kann Krise

Denn außerdem wurden ja Preisbremsen für Gas, Fernwärme und Strom beschlossen. Die Erwartungen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Bundesländer wurden damit übererfüllt, wenn sie ehrlich und nicht wahlkampfgetrieben sind. Jetzt kann jeder die Fortschritte sehen. Deutschland kann Krise. Möchte man meinen.

Mit 200 Milliarden Euro als Wumms kein Wunder? Na ja, die Steuereinnahmen sprudeln, Geld ist da. Die Maßnahmen umzusetzen, wird allerdings keine einfache Sache. Da werden sich die Koalitionen, die sich jetzt gebildet haben, bewähren müssen. Es geht immerhin darum, die Geduld der Bürgerinnen und Bürger nicht überzustrapazieren. Deutschland kennt seine Probleme mit den Wutbürgern.

Aber Gespräche, die nach nur drei Stunden schon vorüber sind, lassen für Unmut wenig Spielraum. Auch deshalb, weil die Bundesregierung klug genug war, recht schnell Irritationen auszuräumen. Wie die, dass Härtefallregelungen für kleine und mittlere Unternehmen plötzlich zur Hälfte von den Ländern finanziert werden sollten. Scholz nahm das vom Tisch. So konnte dieser Punkt nicht die anderen, die dringend zur Einigung anstanden, überlagern.

Bund und Länder teilen sich die Kosten

Dafür gibt es durchaus Entgegenkommen. Nehmen wir das Wohngeld. Da hatten Bund und Länder wirklich eine sehr unterschiedliche Auffassung. Nun soll von Januar an der staatliche Mietzuschuss für Geringverdiener steige und an mehr Menschen gezahlt werden. Die Länder erwarteten, dass der Bund alles zahlt, will sagen: allein. Auch das ist vom Tisch: Bund und Länder teilen sich die Kosten.

Allerdings gibt es eine Falle – bei der Gaspreisbremse. Beginn ist laut Beschluss der März, rückwirkend berechnet dann zum Februar, doch nicht, wie von den Länderregierungschefs gefordert, schon ab Jahresbeginn. Eine Winterlücke darf sich aber keiner leisten. Deshalb der „sehr gut gemeinte Rat, noch mal in die Prüfung zu treten“, wie MPK-Chef Stephan Weil aus Niedersachen nach den Beratungen seiner Art gemäß freundlich, vielleicht diesmal freundlich drohend, erklärt hat.

Der Kanzler hat’s verstanden. Aber es muss bald entschieden sein. Sonst wird ausgerechnet bei diesem so wichtigen wie symbolträchtigen Thema der gute Eindruck nicht nur wieder getrübt, sondern zu neuem Kräftemessen führen. Nichts brauchen die in ihrer Mehrheit verunsicherten Bürger:innen weniger.

Und nichts weniger braucht auch die Politik, voran Rot, Gelb, Grün. Im Gegenteil, alle Parteien brauchen Erfolge. Sichtbare, bleibende. Die Bevölkerung macht ja bald Woche für Woche mit Meinungsbekundungen via Umfragen darauf aufmerksam. Sie hat überdies einen Anspruch darauf: so gut regiert zu werden, wie es die Ampel versprochen hat.

Ach ja, vor diesem Hintergrund ist noch zu verzeichnen, dass immerhin ein weiteres Herrje zumindest vorläufig vermieden ist. Für die Flüchtlingsunterbringung greift der Bund auch tief in die Tasche. Sogar noch mit einer zusätzlichen flüchtlingsbezogenen Pauschale in Höhe von 1,25 Milliarden Euro, jährlich ab 2023. Man könnte sagen, die Ampel lässt sich nicht lumpen. Fürs Erste ist das keine schlechte Nachricht in dieser Welt, in der so vieles anders ist. Auch die deutsche – nämlich mal ohne großen Ärger.

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