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Claudia Pechstein, Olympiasiegerin im Eisschnelllauf, bei ihrer Rede in ihrer Uniform als Bundespolizistin beim CDU-Grundsatzkonvent.

© dpa/Michael Kappeler

Pechsteins Rede für die CDU: Die Uniform ist keine Meinung

Das Handeln des Staats und seiner uniformierten Vertreter muss neutral sein. Das ist die Lehre aus der deutschen Geschichte – für die Freiheit im politischen Meinungsstreit.

Alexander Fröhlich
Ein Kommentar von Alexander Fröhlich

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Fragen sind immer erlaubt. Etwa, ob die Aussagen von Claudia Pechstein, der fünfmaligen Olympiasiegerin im Eisschnelllauf, beim Grundsatzkonvent der CDU homophob oder rassistisch waren. Oder ob ihre Kritiker Pechsteins konservative Positionen zurecht als Hetze diffamieren oder nicht.

Eine Antwort könnte lauten, dass man gerade in der Flüchtlingsfrage brisante Themen nicht verschweigen dürfe. Etwa, dass es Deutschland nicht schafft, abgelehnte Asylbewerber abzuschieben und damit für mehr Sicherheit im Alltag zu sorgen.  

Doch Pechstein trat bei der CDU nicht als Bürgerin auf, die sich privat politisch engagiert, sondern in der Uniform der Bundespolizei. Das ist keine Stilfrage. Dabei ist es in Ordnung, dass das Tragen der Uniform für Pechstein wie für viele anderen Polizisten und Soldaten eine Ehre ist. Auch ihre private Meinung sei ihr gegönnt.

Sie darf sich auch politisch engagieren, sie trat einst für die CDU gegen Gregor Gysi für den Bundestag an. Aber als Polizeibeamtin darf sie sich gerade nicht derart äußern, dass die Neutralität und Unparteilichkeit staatlichen Handels infrage stehen. Zumal, wenn es um die Abschiebung von Ausländern geht – wofür auch ihr Arbeitgeber, die Bundespolizei, zuständig ist.

Bürger müssen in die Neutralität des Staates vertrauen können

„Das wird man doch wohl mal sagen dürfen?“ Die Antwort lautet bei Pechstein: Nein. Damit wird keine politische Meinung unterdrückt, sondern garantiert, dass Bürger in die Neutralität des Staates vertrauen können. Für Soldaten ist klar geregelt, dass sie bei einer politischen Veranstaltung keine Uniform tragen dürfen. Für die Polizei ist das in Bund und Ländern unterschiedlich, mal klar, mal weniger klar geregelt. Aber es gibt einen Kern: Eine politische Rede bei einer Parteiveranstaltung in Uniform geht nicht.

Die deutsche Geschichte liefert die Argumentation dafür

Das hat einen triftigen Grund – und ja, der hat mit der deutschen Geschichte zu tun. Es geht um eine Brandmauer. In der Weimarer Republik hielten sich die Parteien ihre eigenen Milizen. Die SA der NSDAP, der Rote Frontkämpferbund der KPD und der Reichsbanner der SPD lieferten sich Saal- und Straßenschlachten. In der DDR gab es bewaffnete Betriebskampfgruppen, die Jugend wurde mit dem FDJ-Hemd uniformiert und bereit gemacht für den Kampf gegen den Westen – und entindividualisiert.

Die Lehre für die Bundesrepublik ist klar gezogen: Jegliches Militärische und Uniformierte bewaffneter Einheiten haben im politischen Meinungsstreit nichts zu suchen. Weil die Träger der Insignien der Staatsgewalt allein durch ihre Uniform den freien Meinungsstreit beeinträchtigen könnten.

Auch im Versammlungsrecht gilt Uniformverbot

Es gibt dazu ein Gegenstück auch im Versammlungsrecht: das Uniformverbot. Es untersagt, öffentlich oder in einer Versammlung Uniformteile oder gleichartige Kleidungsstücke als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen. Ob Menschen dadurch tatsächlich eingeschüchtert werden, spielt laut Bundesgerichtshof keine Rolle.

Allein, dass sich Menschen eingeschüchtert fühlen könnten und der mögliche Eindruck der massiven Gewaltbereitschaft eines uniformierten Mobs zählen und sprechen dagegen.

Man stelle sich einen solchen Auftritt bei der AfD vor

Beispiele dafür gibt es genug aus den vergangenen Jahren, von Neonazis bis zu Islamisten und Hooligans in militärischer Tarnkleidung. Es gilt also: Niemand soll sich ängstigen, im Angesicht einer gewaltsamen, total wirkenden Gruppe, seine politische Meinung zu sagen. Erst recht soll niemand befürchten, jene, die staatliche Gewalt ausüben dürfen, könnten im Meinungsstreit kraft ihrer durch die Uniform vermittelte Autorität Druck ausüben.

Zurück zu Claudia Pechstein. Man stelle sich vor, ein Polizist in Uniform tritt bei der AfD auf und hält eine Rede über Asylpolitik, Abschiebung und kriminelle Ausländer. Die AfD wird vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft. Zu Recht gäbe es einen Sturm der Empörung – nicht nur über die AfD, sondern auch, weil die Neutralität der Polizei selbst in Zweifel gezogen würde.

Weil der Vorwurf Nahrung bekäme, die Polizei sei sowieso ein rechtsextrem durchsetzter Haufen. Weil jeder Bürger zu Recht fragen dürfte, ob der Polizist bei der nächsten Kontrolle wirklich neutral und unvoreingenommen ist. Das kann sich die Bundesrepublik nicht leisten.

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