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Ayse Isil Karakas, türkische Richterin: „Daran sollte sich die Türkei gewöhnen“

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte schickt die Türkei eine Frau ins Richterkollegium des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes nach Straßburg.

An der fachlichen Eignung der 50-jährigen Juristin Ayse Isil Karakas bestehen keine Zweifel: Sie arbeitet als Vizedekan der Rechtsfakultät an der Istanbuler Galatasaray-Universität, einer führenden Adresse der Rechtswissenschaft in der Türkei. Zudem ist sie auf Menschenrechte und europäisches Recht spezialisiert – Karakas kennt die Defizite ihres Landes, mit denen sie in den nächsten sechs Jahren als Europa-Richterin konfrontiert werden dürfte. Für Streit könnte allerdings ihre Haltung zu der in ihrer Heimat heftig umstrittenen Kopftuchfrage sorgen: Karakas tritt dafür ein, das Kopftuchverbot für Studentinnen in der Türkei abzuschaffen.

In den meisten Verfahren gegen die Türkei in Straßburg geht es um die Meinungsfreiheit, um das Recht auf einen fairen Prozess und um Immobilienstreitigkeiten. In diesen Problemfeldern müsse die Türkei ihre Gesetze nachbessern, sagt Karakas. Insbesondere der berüchtigte „Türkentum“-Paragraf 301 müsse entschärft werden.

Seit Jahren wird die Türkei immer wieder in Straßburg wegen Folter oder Verstößen gegen die Meinungsfreiheit verurteilt. In den kommenden Monaten wollen sich zudem die christlichen Minderheiten im Streit um die Rückgabe enteigneter Immobilien an Straßburg wenden – das Gericht im Elsass wird für die Türkei mehr und mehr zu einer Korrekturinstanz. Die Straßburger Urteile seien nun mal für alle Mitglieder des Europarats und damit auch für Ankara bindend, betont Karakas: „Daran sollte sich die Türkei gewöhnen.“

Als Europa-Richterin wird sich Karakas möglicherweise auch mit der Kopftuchfrage auseinandersetzen müssen. Vor vier Jahren hatte das Straßburger Gericht entschieden, dass der türkische Staat die Kopftücher an den Unis verbieten dürfe. Das damalige Urteil war eine Niederlage für den religiös geprägten Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und kam nicht zuletzt auf Empfehlung von Karakas’ scheidenden Vorgänger zustande, dem Kopftuchgegner Riza Türmen. Der geht nun in den Ruhestand – nicht ganz freiwillig, wie er sagt. Erdogan bereitet unterdessen eine Abschaffung des Kopftuchverbots vor. Die Gegner des Premiers befürchten eine Islamisierung des Landes, weshalb das Thema bald erneut in Straßburg landen könnte. Dann könnte Karakas zur Schlüsselfigur werden.

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