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Von Rainer Woratschka: Der Arzt als Patient

Röslers neues Gesetz zeigt: Ein FDP-Chef sollte lieber nicht Gesundheitsminister sein

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Es sollte der große gesundheitspolitische Aufschlag werden – ein Gesetz einmal nur fürs Patientenvolk und die nachgereichte Entschädigung für die Zumutungen der jüngsten Gesundheitsreform. Doch Philipp Röslers Triumph, eine zweite Reform relativ geräuscharm hinbekommen zu haben, verpuffte am Freitag schon bei der Präsentation. Nicht einmal die politischen Erfolge eignen sich zur Vermarktung für den frisch angetretenen Hoffnungsträger einer abgewirtschafteten Partei. Röslers Versorgungsgesetz zeigt vielmehr – übergroß und nur drei Tage nach dem Kuschelputsch in der FDP – das große Dilemma des künftigen Parteichefs, der gleichzeitig bis auf Weiteres Gesundheitsminister sein und bleiben muss.

Röslers neues Vorhaben ist verdienstvoll. Es soll die Ärzte besser verteilen, dem Medizinermangel auf dem Land begegnen. Damit könnte man, sollte man meinen, auch bei den Bürgern punkten. Sie wollen nicht hundert Kilometer bis zum nächsten Facharzt oder Klinikum fahren müssen, sie wollen Versorgung vor Ort und zwar qualitativ möglichst hochwertig.

Doch selbst, wenn das erdachte Anreizsystem für Ärzte funktioniert – die Betroffenen werden vorerst nichts davon zu spüren bekommen. Das Gesetz ist pure Prophylaxe. Es beschert den Patienten auf dem Land kurzfristig keinen Mediziner mehr. Und der FDP deshalb auch keine zusätzliche Wählerstimme. Systemstabilisierung – die Kernaufgabe jedes Gesundheitsministers – ist ein undankbares Geschäft. Sie kostet vor allem. Kassenbeiträge, Steuergelder. Wie sich das mit dem liberalen Ruf nach Beitrags- und Steuersenkungen verträgt, den noch jeder FDP-Chef anstimmen musste? Gar nicht.

Und dann das Alltagsgeschäft – ebenfalls wunderschön zu besichtigen an den frisch produzierten Eckpunkten des Gesetzes. Sie sind so verquast formuliert wie fast alles in der Gesundheitspolitik. Sonderbedarfszulassungen, Regelleistungsvolumen – kein Laie versteht das. Und auch der klügste Minister verstrickt sich in solchem Fachchinesisch. Man kann gespannt sein, wie der künftige FDP-Vorsitzende in den Talkshows seine Verdienste als Ressortchef darlegen wird – und ob ihm einer dabei folgen kann.

Wenn ja, dann wird derjenige feststellen, dass die Ergebnisse dünn sind. Das liegt auch am System. Im Grunde darf kein Minister der Selbstverwaltung wirklich reinreden. Dem Versorgungsgesetz mussten zudem die Länder zustimmen. Kein Wunder, dass fast nur Empfehlungen herauskamen, ein Kompromiss wieder auf kleinstem Nenner. Nur noch Zweibettzimmer in Kliniken? Kein Thema mehr. Schnellere Terminvergabe bei Fachärzten? Der Wettbewerb wird’s schon richten. Aber das passt ja auch zum FDP-Programm.

Dabei ist es politisch egal, ob ihm etwas gelingt oder nicht: Als Gesundheitsminister kann Rösler nur Unpopuläres präsentieren. Enttäuschung, neue Belastung. Und demnächst kommen auf breiter Front noch nach oben offene Zusatzbeiträge. Die Wähler werden sich erinnern, wer sie ihnen eingebrockt hat. Das Versäumnis, dem Wirtschaftsminister das Ressort nicht abgerungen zu haben, wird sich rächen. Für Rösler. Und für die FDP.

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