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Der Erdogan-Kritiker Ertugrul Adil Yigit.

© Michael Kappeler/dpa

Adil Yigit, Hamburger Journalist: Der Mann, der Erdogan ärgerte, soll bleiben

Verwirrung um einen Erdogankritiker: Soll der Journalist ausgewiesen werden? Er behauptet das, die zuständige Hamburger Ausländerbehörde dementiert.

Er hat den Staatsbesucher Erdogan während dessen Pressekonferenz in Berlin verärgert und soll deshalb jetzt Deutschland verlassen – so sah es bis Montagmittag aus. Doch anscheinend denkt die Ausländerbehörde in Hamburg, wo Adil Yigit seit vielen Jahren lebt, gar nicht daran, ihn abzuschieben und so absehbar der türkischen Justiz auszuliefern. „Ihm droht keine Abschiebung und er wird nicht ausgewiesen“, sagte der Sprecher des Hamburger Einwohner-Zentralamts, Florian Käckenmester, dem Tagesspiegel. Man wolle Yigit vielmehr, nachdem andere Gründe weggefallen seien, den Aufenthalt aus humanitären Gründen nach Paragraf 25, Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes gewähren.

Der gelte aber nur für „vollziehbar ausreisepflichtige“ Ausländer, weswegen man ihm formell die Abschiebung habe androhen müssen. Da Yigit zuletzt seiner Familie wegen bleiben durfte, die deutsche Mutter seiner Kinder aber mit dem Nachwuchs inzwischen in der Türkei lebe, sei dieser Grund entfallen und es bleibe, damit er bleiben könne, nur der Ausweg der humanitären Gründe. Das habe man ihm und seinem Anwalt auch erklärt und schriftlich mitgeteilt, sagt Käckenmester.

Seit Jahrzehnten in Deutschland

Ertugrul Adil Yigit, der vor 60 Jahren in Malatya in der Osttürkei geboren wurde, lebt seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Weil er als linker Aktivist um sein Leben fürchten musste und nach eigenen Angaben nur knapp einen Bombenanschlag überlebte, kam er seinerzeit über Frankfurt, wo bereits eine Schwester von ihm lebte, und Köln nach Hamburg – wo seinerzeit gerade die Berliner „taz“ ein Büro eröffnete und Yigit eine Beschäftigung fand. Seine damalige Freundin und spätere Frau war die taz-Journalistin Anita Friedetzky.

Als die Hamburger Polizei 1996 Waffen in einem Reisebüro fand, das Yigit angemietet hatte – er war auch in Hamburg weiter für die linksextreme Dev Sol aktiv – floh er mit falschen Papieren in die Türkei. Die Rückkehr nach Hamburg zwei Jahre später bezahlte er mit seiner Festnahme und zweieinhalb Jahren Gefängnis. Danach, so schrieb Anfang dieses Jahres, die taz in einem Porträt, habe er alle Kontakte zu den früheren Genossen abgebrochen.

Sorge um Ausweisung "ein Missverständnis"

Yigit arbeitet heute für das regierungskritische Online-Medium „Avrupa Postasi“ (Europa-Post) und erhielt beim Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan Ende September bundesweite Aufmerksamkeit, weil er während der Pressekonferenz im Kanzleramt ein T-Shirt trug, das die Freilassung aller in der Türkei inhaftierten Kolleginnen und Kollegen forderte – und er deswegen von Sicherheitskräften mit Gewalt aus dem Saal entfernt wurde.
Warum er jetzt sagt, man wolle ihn aus Deutschland entfernen? Die Hamburger Behörde vermutet „ein Missverständnis“. Sein Anwalt war bis Montagnachmittag für den Tagesspiegel nicht zu erreichen.

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