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Meinung: Der Zuhörer

Barack Obama hat die Fehler der Vergangenheit korrigiert – das reicht aber nicht.

Valerie Jarrett, heute Vertraute des US-Präsidenten, erzählte vor Kurzem in einer Runde, wie sie Barack Obama kennengelernt habe. Der junge Jurist saß mit Jarrett und seiner Verlobten Michelle beim Dinner und hörte zu. Und hörte einfach weiter zu. Bis heute habe sich daran nichts geändert. Besonders gerne höre er andere Meinungen, um daran die eigene Überzeugung zu schärfen.

Ein anderer Wegbegleiter versichert, an Obamas Prinzipienfestigkeit brauche man nicht zu zweifeln. Ratschläge von Experten, die nicht aus seinem Vertrautenkreis stammen, dienten ihm zur Feinkorrektur. An seinen überzeugungsgeleiteten Beschlüssen halte Obama aber fest. Wenn Ex-Verteidigungsminister Robert Gates nun seinem Ex-Dienstherrn vorwirft, er habe im Afghanistan-Krieg seinem Kommandeur vor Ort misstraut, den afghanischen Präsidenten verabscheut und nur eines gewollt: raus aus Afghanistan – dann fällt der Erkenntnisgewinn deshalb eher gering aus. Ein Mitverantwortlicher für das Afghanistan-Desaster wälzt die historische Bürde auf Obama ab und zeichnet das Bild eines beratungsresistenten Präsidenten.

Hat Gates Recht? Amerika diskutiert eine für die mächtigste Nation der Welt wichtige Frage: Hat Obama aus ideologischen Gründen Entscheidungen wider die Vernunft getroffen? Die Antworten auf die Fragen sind simpel: Ja und Nein. Der Präsident war zum Schluss gekommen, dass dieser Krieg seinen Prinzipien widerspricht und hat die Truppen abgezogen. Seine Rolle in den Geschichtsbüchern hat Obama bei seiner Rede vor den UN während der Syrien-Krise dabei selbst mit einer Politik-Wende diktiert: Weder nach Syrien noch anderswohin auf der Welt wolle sein Land künftig Soldaten schicken, wenn es vermeidbar sei. Und wenn doch, dann nur im Staaten-Verbund.

Aber Obamas Prinzipienfestigkeit stand nicht gegen die Vernunft. Wer wollte den unseligen Krieg in Afghanistan nicht beenden? Und wer empfindet Zutrauen zu Hamid Karsai? Die zögerliche Haltung Obamas bei Syrien hat sich vermutlich als richtig erwiesen. Zu seinen Erfolgen muss auch die Bewegung im Iran-Konflikt gezählt werden. Und selbst innenpolitisch ist Obama bei allen Debakeln wie der NSA-Affäre oder den technischen Problemen mit der Umsetzung der Gesundheitsreform der ebenso historische wie ideologisch motivierte Schritt gelungen, im Industrieland USA endlich eine allgemeine Krankenversicherung zu etablieren.

In Umfragen jedoch ist der 44. Präsident unter das Niveau von George W. Bush gesunken. Weil Politik nicht nur von Überzeugungen lebt, kann dieser isolierte und Menschen-ferne Präsident an sich selbst scheitern. Er aber scheint beschlossen zu haben, diesen Preis zu zahlen und es mit Orson Welles zu halten: „Beliebtheit sollte kein Maßstab für die Wahl von Politikern sein. Wenn es auf Popularität ankäme, säßen Donald Duck und die Muppets längst im Senat.“

Für Obama ist es die letzte Auseinandersetzung. Er hat im Irak und in Afghanistan zwei historische wie richtige Entscheidungen getroffen. Jetzt muss er sein Volk davon überzeugen, dass er nicht nur Fehler seiner Vorgänger korrigieren, sondern das Land auch in die Zukunft führen kann. Sonst wird aus einem Präsidenten, der als Erlöser gewählt wurde, der schwächste US-Staatschef seit Jahrzehnten.

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