
© Manfred Thomas
Geburtstagsfeier für Manfred Stolpe: Des Kritischen Würdigung
500 Gäste sind für diesen Montag in Potsdam geladen, weil die SPD Manfred Stolpe zu seinem 75. Geburtstag feiern will.
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500 Gäste sind für diesen Montag in Potsdam geladen, weil die SPD Manfred Stolpe zu seinem 75. Geburtstag feiern will. Die märkische SPD ist mit Seligsprechungen besonders schnell, schneller als Katholiken; siehe: Regine Hildebrandt, die der Brandenburg-SPD als Säulenheilige dient. Da ist zu hoffen, dass nun nicht die nächste Seeligsprechung folgt. Denn: So wird man niemandem gerecht, erst recht nicht dem, den man ehren will.
Manfred Stolpe hat mit anderen zusammen dem jungen Land Brandenburg eine Identität – und damit Zuversicht – gegeben. Das war und ist eine große Leistung – denn die Acker-Mark hatte keine Identität. Anders als etwa die Sachsen. Preußen war in der DDR bis kurz vor deren Tod ein Tabu. Auch auf die Junker und Großbauern, die einst das Land prägten, mochte sich keiner berufen; alles Schimpfwörter im Osten. Was mit Stolpe kam, waren Märkische Heide und Märkischer Sand und ein hochfliegender Adler: das Brandenburg-Lied von Gustav Büchsenschütz wurde Lebensgefühl. Da fanden dann selbst Prignitzer und Lausitzer, die nie etwas gemein hatten, zusammen. Nur: Die Identität, die da geschaffen wurde, ging auch gegen Außen, die Schimpfwörter wurden übernommen. In jedem Fall waren entweder West-Schlaumeier unterwegs oder aber -Abzocker oder eben welche, die einfach böswillig über Osten und eben auch Brandenburg berichteten.
Dass Brandenburg heute noch über Stasi- Mitarbeiter und -Spitzel im öffentlichen Dienst diskutiert, liegt im Wesentlichen an Stolpe – als Politiker und auch als Person – und dessen Weggefährten. In Brandenburg sind allein mehr als 1000 Ex-Stasi-Mitarbeiter bzw. -Spitzel 1990/91 in den Polizeidienst übernommen worden – nach bizarren Kriterien von einer zumindest von Ex-Stasi-IMs durchsetzten Kommission. Nachgefragt wurde im Land des Ministerpräsidenten, der selbst unter dem Verdacht stand, der Stasi als „IM Sekretär“ berichtet zu haben, nie mehr. Stattdessen wurde so getan, als wehre Stolpe sich stellvertretend für den Osten gegen den Stasi-Vorwurf. Dabei ging es nur um ihn. Er stellte sich vor die Masse, die niemand angriff, und gab ihr ein gutes Gewissen und ein sicheres Gefühl. Der Minderheit, den Stasi- und SED-Opfern verwehrte er die Hilfe: Einen Beauftragten für die DDR-Opfer bekam das Land erst einmalig spät im Osten: Im Jahr 2010, acht Jahre nach Stolpes Ära. Heute sagt Stolpe dazu: „Alles, was damals offen auf dem Tisch lag, jetzt aufgewärmt wird, auch mit Sensationshascherei und politischer Absicht, ist aus meiner Sicht prinzipiell nicht infrage zu stellen.“ Stolpe, der alte Unterhändler und Grenzgänger, ist Meister des Subtextes, des in der DDR zur Blüte getriebenen nicht Gesagten aber doch zu Hörenden – er funkt noch auf der Ostfrequenz: Er benutzt „aufgewärmt“ und „Sensationshascherei“ – besetzt so Klären negativ. Er verrät aber mehr: Nämlich dass sich in Brandenburg die „Opfer melden“, selbst „nachweisen" mussten, "der hat uns erheblich geschadet“ (Wie? "Erheblich"!). Und dann („Wir haben Rache nicht als vorrangige Aufgabe angesehen“) tut er so, als ginge es denen, die Klärung wollen, um Rache. Nur: Außer ihm hat niemand dieses Wort geführt. Er stellt es in den Raum, um zu sagen, dass es da nicht hingehört. Es ging Stolpe immer um die Masse, darum, wie sich Otto Normalbürger fühlt. Es ging nie um Opfer. Nicht darum, sich zu fragen, warum man in der DDR in Masse dieses weitgehend unbehelligte Leben führen konnte. Es wurde nicht gefragt, wer dafür welchen Preis zahlte. Stolpe rät nun: „... man sollte gelassener sein, und auch im Blick haben, wie ständige Stasi-Debatten in der Bevölkerung wirken können.“ Er warnt vor dem Verfestigen platter Vorurteile im Westen und vor „Abwehrhaltungen“ im Osten. Nicht die Aufklärung – im doppelten Sinne – steht im Vordergrund, sondern die Ruhe, das Spießbürgerliche „Was sollen denn die anderen denken?“, das „Lass’ mal, das bringt nur Unruhe!“. Deshalb ist in Brandenburg nie wirklich geredet worden. Immer nur verschwiemelt. Elende Druckserei – eben auch ein Vermächtnis Stolpes.
Mit vielen seiner Fehler steht Manfred Stolpe nicht allein und er machte sie auch nicht allein. Und es ist meist besser Fehler zu machen, als gar nichts zu tun. Das Scheitern mit Großprojekten und der Länderehe mit Berlin sieht er selbst. Er hat Brandenburg eben beides hinterlassen Miss- und Erfolge. Die Misserfolge gehören nicht auf eine Geburtstagstorte. Sicherlich. Aber: Wer zu einer Wüdigung dieses Ausmaßes ausholt, der muss auch kritisch würdigen. Manfred Stolpe hat dies verdient.
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