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Von Fabian Leber: Die Ich-Parteien

Den drei kleinen Parteien fehlt es am Willen zur Macht: Sie setzen nur auf Abgrenzung

Stand:

Als „TV-Dreikampf“ war das Zusammentreffen der drei Spitzenkandidaten von FDP, Grünen und Linkspartei am Montagabend in der ARD angekündigt worden. Es sollte wahrscheinlich das bessere Kanzlerduell werden. Die Befragung, die ebenso wenig wie das Aufeinandertreffen von Merkel und Steinmeier ein Streitgespräch war, offenbarte am Ende jedoch vor allem eines: Die kleinen Parteien sind zwar mächtiger geworden, allen dreien aber fehlt es am Willen zur Macht.

Wie Oskar Lafontaine waren auch Guido Westerwelle und Jürgen Trittin um maximale Abgrenzung bemüht. Während sich Merkel und Steinmeier am Vorabend zumindest noch daran versuchten, Entwürfe zum gesellschaftlichen und sozialen Ausgleich zu präsentieren, haben die drei kleinen Parteien diesen Anspruch im stillen Glück der Opposition offenkundig aufgegeben. Mögen FDP, Grüne und Linke in ihren Forderungen noch so unterschiedlich sein, ihr Politikstil entpuppt sich insgesamt als seltsam selbstreferentiell.

Anders ist kaum zu erklären, dass die drei Spitzenkandidaten bei dieser Gelegenheit in erster Linie als Verteidiger von Eigeninteressen auftraten. Gerade die kleinen Parteien werben um Wähler, die Angst um den eigenen Status haben, die einen Ort in der Gesellschaft suchen. Als Parteien geben sich FDP, Grüne und Linke deshalb zurzeit alle Mühe, durch den Ausschluss aller möglichen Koalitionsoptionen ganz bewusst am Rand zu stehen.

Während also potenzielle Wähler, vom Hartz-IV-Empfänger bis hin zum berühmten Besserverdienenden, Angst um ihren eigenen gesellschaftlichen Status haben, lebt es sich für die drei Parteien mit ihrem eigenen Status ganz gut: Die FDP ist stolz auf ihre Regierungsbeteiligung in fast allen westdeutschen Ländern, den Grünen fehlt zwar die Macht, doch sie dürfen sich als reines Gewissen präsentieren, und die Linkspartei sonnt sich im Licht der stets steigenden Wahlergebnisse. Würde eine der Parteien in Regierungsverantwortung kommen, dann wäre schnell klar, dass das momentane Hoch der Kleinparteien nur zum kleineren Teil auf eigenen Anstrengungen beruht.

Nach wie vor agieren die kleinen Parteien im Kräftefeld der beiden verbliebenen (Volks-)Parteien. An ihnen richtet sich ihr Handeln aus. Dabei hätten vor allem FDP und Grüne in den zurückliegenden vier Jahren die Chance gehabt, zu größerer Eigenständigkeit zu finden. Das wäre ein Kontrastmodell gewesen, sowohl für die Liberalen, deren Einfluss in der Regierung Kohl kaum messbar war, als auch für die Grünen, die im Grunde genommen treuer zu Gerhard Schröder standen als dessen eigenen Partei.

Doch diese Chance haben ausgerechnet jene beiden Parteien verpasst, die sich gerne als besonders kreativ und einfallsreich präsentieren. Für die große Koalition sind Union und SPD fast bis an die Grenze der Selbstverleugnung gegangen. Um eine Neuauflage zu verhindern, darf auch von FDP und Grünen mehr verlangt werden. Dann wären sie keine Ich-Parteien mehr.

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