Verräterische Spur: Die Kalender der First Lady Hillary Clinton
Hillary Clinton meint, dass nur sie die nötige Erfahrung hat, um die Weltmacht USA zu führen. Sie will eine zentrale Rolle im Nordirland-Friedensprozess gespielt und Mazedoniens Grenze für Kosovo-Flüchtlinge geöffnet haben. Die amerikanische Öffentlichkeit will nun endlich Beweise dafür sehen.
Amerikas Medien sind unbarmherzig - besonders die führenden Zeitungen. Jede von ihnen beschäftigt mehr investigatives Personal als europäische Nachrichtenmagazine, die sich auf die Aufdeckung von Skandalen spezialisieren. Nachdem die US-Medien tagelang Barack Obama wegen radikaler Äußerungen seines Pfarrers Jeremiah Wright getriezt hatten - "God damn America!" -, haben sie nun Hillary Clintons Terminkalender aus ihrer Zeit als First Lady unter die Lupe genommen.
Ihre Erfahrung an der Seite des Präsidenten Bill Clinton hat Hillary als besonderen Trumpf bei ihrer eigenen Kandidatur genannt. Nur sie habe die nötige Erfahrung, um die Weltmacht USA zu führen. Mehrfach nannte sie beeindruckende Beispiele: Sie habe großen Anteil am Friedensabkommen für Nordirland. Ihr sei es zu verdanken, dass Mazedonien vor und während des Kosovokriegs seine Grenzen für Kosovoalbaner öffnete, die vor der Verfolgung durch den serbischen Diktator Slobodan Milosevic flohen.
Deshalb forderten US-Medien seit langem, Hillary solle endlich die Akten aus ihrer Zeit als First Lady freigeben, damit man solche Behauptungen überprüfen könne. Diese Unterlagen sind nämlich auch heute, sieben Jahre nach Ende der Clinton-Präsidentschaft, nicht zugänglich. Hillary behauptet, sie würde die Akten gerne öffnen. Doch das hänge leider nicht von ihr ab. Aus Sicherheitsgründen müssten die Papiere von Geheimdienstlern und anderen Experten erst daraufhin durchgesehen werden, ob sie vertrauliche Informationen enthielten - und die müssten geschwärzt werden.
Die amerikanische Öffentlichkeit hat ihr diese unschuldige Erklärung nicht so ganz geglaubt. Denn Hillary Clinton hat den Ruf, möglichst viele Informationen über sich, ihre Familie und ihre Berater vor öffentlichem Zugang zu schützen. Medien haben sie die größte Geheimnistuerin der amerikanischen Politik genannt. Nach monatelangem Drängen hat die Bill Jefferson Clinton Presidential Library, die die Unterlagen verwaltet, nun endlich Material herausgerückt - nicht die Akten der First Lady, aber immerhin ihre Terminkalender. Noch genauer: Auszüge aus ihren Terminkalendern.
Denn 10.000 Termine aus diesen acht Jahren wurden vor der Veröffentlichung gestrichen, das sind im Schnitt 1250 pro Jahr oder rund 3,4 Termine pro Tag, von denen die Öffentlichkeit nichts wissen darf. Die Clintons sagen, das seien entweder "private" Termine gewesen - oder solche, die aus Rücksicht auf die Privatsphäre der jeweiligen Gesprächspartner von Hillary geheim bleiben müssten. Im Übrigen hätten sie keinen Einfluss genommen. Die Experten hätten sich beim Aussieben an das US-Archivgesetz gehalten.
An den meisten Tagen, die zu Wendepunkten der Clinton-Präsidentschaft führten, vermerkt die publizierte Version des Kalenders: "keine öffentlichen Termine". Zum Beispiel für den Tag, an dem Hillarys engster politischer Berater Vince Foster Selbstmord beging. Oder den Tag, an dem der Lewinsky-Skandal bekannt wurde - seine sexuelle Beziehung zu einer Praktikantin im Weißen Haus namens Monica Lewinsky. Oder für die Tage, an denen Hillary wegen der Verwicklung der Clintons in die Whitewater-Immobilienaffäre vor einem Untersuchungsausschuss des Kongresses aussagen musste.
Das vermerken die großen Zeitungen teils enttäuscht, teils süffisant. Tagelang haben sich ihre Journalisten durch die vielen tausend Seiten Papier gearbeitet. Im Mittelpunkt ihres Interesses steht nun die Frage, ob Clinton ihre außenpolitische Erfahrung korrekt dargestellt hat.
Zweifel an Hillarys angeblich zentraler Rolle im Nordirland-Friedensprozess waren schon zuvor laut geworden. Sie habe halt mit einigen Katholikinnen und einigen Protestantinnen "Tee getrunken", spotteten ihre Gegner. Sie liegen, so stellt es zum Beispiel die "New York Times" in ihrer Osterausgabe dar, nicht weit von der Wahrheit. Bei ihrer Irlandreise 1995 war sie bei einer Weihnachtszeremonie zugegen. Das Treffen, bei dem sie angeblich Katholikinnen und Protestantinnen von der Notwendigkeit überzeugte, den Religionskonflikt zu beenden, entpuppte sich als Termin im Lamp Lighter Café in Belfast, der vom US-Konsulat organisiert war und bei dem ihre eine Teekanne überreicht wurde.
Kurz vor Veröffentlichung der Unterlagen änderte denn auch die ehemalige First Lady ihre Version. Sie sei "nicht direkt an den Friedensverhandlungen beteiligt gewesen". Zuvor hatte sie seit März 2007 dagegen bei Wahlkampfauftritten immer wieder behauptet: "Ich habe dazu beigetragen, den Frieden nach Nordirland zu bringen".
Auch jene hochrangigen Unterredungen, in den Hillary Mazedoniens Grenze für Kosovo-Flüchtlinge öffnete, waren in der nun bekannten, offiziellen Version ihres Terminskalenders nicht so richtig zu finden. Vor Tagen hatte bereits die "Washington Post" berichtet, Hillary habe sich mit Mazedoniens damaligem Präsidenten getroffen. Doch dabei sei es um US-Investitionen in die mazedonische Textilindustrie gegangen. Hillarys Wahlkampfteam bemüht sich um Schadensbegrenzung. "Sie war die wichtigste und engste Beraterin ihres Mannes", sagen ihre Verteidiger.
Parteigänger ihres Rivalen Barack Obama, reduzieren ihre Rolle dagegen. Darunter sind auch Diplomaten und Außenpolitik-Experten, die damals der Clinton-Regierung angehörten. Rechtsanwalt Gregory Craig, zum Beispiel, der in Bills Außenministerium diente und Bill auch beim Lewinsky-Impeachment verteidigte, sagt: "Sie hat nicht an den Beratungen des Nationalen Sicherheitsrats teilgenommen, sie hat weder den Außenminister noch den Sicherheitsberater regelmäßig getroffen. Sie bekam nicht die Briefings der Geheimdienste und sie war nicht an einer einzigen Krisenlösung in den acht Jahren der Clinton-Präsidentschaft beteiligt."