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Meinung: Ein Deal ist kein Deal

Außenminister Powell war eine Taube. Berlin und Paris haben ihn zum Falken werden lassen / Von Jeff Gedmin

Armer Colin Powell. Für manche europäischen Freunde war er der geduldige multilaterale Liebling. Nun fühlt er sich betrogen. Aus der Taube ist ein Falke geworden – vielleicht sogar der schlimmste Albtraum für Frankreich und Deutschland. Sie haben ihren besten Verbündeten in der BushRegierung verloren.

Der US-Außenminister glaubte, im Herbst einen Deal mit dem UN-Sicherheitsrat vereinbart zu haben, speziell mit den Franzosen: Powell würde Bush überzeugen, dass er im Irak mehr Geduld zeigt – und dem Sicherheitsrat mehr Zeit gibt. Als Gegenleistung würden Frankreich und die anderen eine rote Linie markieren. Das war die Idee der UN-Resolution 1441, die dem Irak ernste Konsequenzen androht, wenn er nicht alle Massenvernichtungswaffen aufgibt. Nach zwölf langen Jahren und 17 Resolutionen sollte das die allerletzte Chance für Saddam sein, freiwillig abzurüsten. So jedenfalls hatte Powell den Deal verstanden. In diesen Tagen fordert er die Franzosen voller Wut auf, doch einmal nachzulesen, was sie selbst mitformuliert und beschlossen haben.

Es war ein langer Weg für Amerika: 1991 war die erste UN-Resolution verabschiedet worden, die Iraks Abrüstung verlangte sowie innerhalb von 15 Tagen eine „vollständige und endgültige“ Liste seiner Massenvernichtungswaffen. Heute ist es kaum noch zu glauben, aber damals dachte der Sicherheitsrat wirklich, dass sich der gesamte Abrüstungsprozess bei voller Kooperation in einem Jahr abwickeln lasse. Doch zur vollen Kooperation kam es nie. Eine jüngste „vollständige und endgültige“ Liste reichte der Irak am 7. Dezember 2002 ein. Die hatte es in sich: irreführende Behauptungen, entscheidende Auslassungen und altbekannte Angaben, die bereits frühere UN-Inspektionsteams als unzureichend zurückgewiesen hatten. Man muss wirklich kein Bush-Fan sein, um zu verstehen, was er mit den Worten meint, er fühle sich wie ein Mensch, der sich die Wiederholungen eines immer gleichen schlechten Films ansehen müsse, obwohl er sich vorgenommen habe, nie wieder reinzugehen.

Die gleichen Gefühle weckt in Washington die Idee, man solle einfach mehr Inspekteure in den Irak schicken, womöglich begleitet von UN-Blauhelmen – letzteres hat Verteidigungsminister Peter Struck am Montag dementiert. Der Vorschlag wirkt wie eine schlechte Kopie einer Studie der Carnegie-Stiftung. Dieser Thinktank in Washington hat die Idee bereits kürzlich durchgespielt, die Rüstungskontrolle durch eine längerfristige Besetzung des Irak zu unterstützen. Der Plan wurde abgelehnt mit der Begründung: zu wenig, zu spät. Eine solche langfristige Okkupation wäre eine gefährliche, schwierige Mission. Und abhängig von der Geschlossenheit des Sicherheitsrats – eine Bedingung, die sich noch nie erfüllt hat. Abgesehen davon, dass man ziemlich viel Phantasie aufbringen muss für die Vorstellung, Saddam werde plötzlich bereit sein, einem solchen Vorhaben zuzustimmen.

Die Story der Abrüstungsversuche im Irak ist eine unendliche Geschichte von Déjà-vus. Heute sagen Deutschland und Frankreich, ihre Absicht sei es, das Ziel mit mehr Inspekteuren und Regionalbüros zu unterstützen. Darf man ihnen das glauben? Im vergangenen Herbst hatte die US-Regierung genau das gefordert. Damals wurde es abgelehnt – von Frankreich und Russland.

Deshalb sagt Bush: Die Zeit ist abgelaufen. Und deshalb ist Powell nicht mehr bereit, bei der Verzögerung mitzumachen. Nach dem alten Drehbuch macht Saddam nun ein paar Zugeständnisse: Das U-2-Aufklärungsflugzeug darf jetzt doch fliegen. Weitere werden folgen. Und Schlagzeilen produzieren: „Irak zur Kooperation bereit“. Chefinspekteur Hans Blix wird mehr Zeit verlangen. Und Berlin und Paris werden neue Vorschläge für eine „friedliche Lösung“ in die Welt setzen und gleichzeitig blockieren, wo sie können.

Der jüngste Versuch ist in der Nato zu beobachten: Zusammen mit Belgien hindern Frankreich und Deutschland das Bündnis daran, auch nur mit einer Eventualplanung zu beginnen für den Fall, dass die Türkei in einem möglichen Krieg von außen angegriffen wird. Kein schönes Bild. Haben wir nicht alle früh lernen müssen, dass man nur Kämpfe aufnehmen sollte, die man gewinnen kann?

Am Ende werden Amerika und Großbritannien bereit sein, den Irak mit Gewalt zu entwaffnen und die Resolution 1441 umzusetzen. Und weiter an einer breiten, multilateralen Koalition bauen. 20 Nationen haben bereits zugesagt, jüngst die Ukraine. Auch die Russen signalisieren unter der Hand, dass sie am Ende mitmachen. Gut möglich, auch die Franzosen. Vielleicht aber auch nicht.

Armer Colin Powell. Er hat sich darauf verlassen, dass ein Deal ein Deal ist und dass dieser Deal dazu führt, dass Amerika sich an den Sicherheitsrat hält. Er dachte, er habe einen Weg gefunden, wie der Sicherheitsrat im Geschäft bleibt. Das war wohl ein Irrtum.

Der Autor ist Direktor des Aspen-Instituts Berlin.

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