Meinung: „Es geht nicht gegen Russland“
Bis vor kurzem war das Thema Raketenabwehr nur etwas für Spezialisten und Star-War-Esoteriker. Anders kann man sich die transatlantischen Missverständnisse schwer erklären.
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Bis vor kurzem war das Thema Raketenabwehr nur etwas für Spezialisten und Star-War-Esoteriker. Anders kann man sich die transatlantischen Missverständnisse schwer erklären. Schließlich haben die Amerikaner kein Geheimnis aus ihrem Projekt gemacht, Ende Januar noch hat der Leiter der amerikanischen „Missile Defense Agency“, Luftwaffengeneral Henry A. Obering, Journalisten die technischen Spezifikationen des Systems beschrieben und von Konsultationen mit den Russen, auch im Nato-Russland-Rat, berichtet. Seit 1. Februar ist dieses Medienbriefing auf einer deutschen sicherheitspolitischen Website (Geopowers) nachlesbar. Aber offenbar hat das Außenministerium seinen Minister nicht ausreichend informiert, sonst hätte der nicht noch Wochen später die mangelnde Unterrichtung Russlands kritisiert.
Inzwischen reist Obering vor allem in diplomatischer Mission und kommt heute nach Berlin. Das scheint auch nötig, denn während etwa Großbritannien auch gerne Standort des neuen Systems wäre – was die Amerikaner ablehnen, weil Abwehrraketen dort tatsächlich geeignet seien, russische Langstreckenraketen abzufangen –, hagelt es in Deutschland Kritik. Auch manche Sozialdemokraten, allen voran Gerhard Schröder, machen sich die russische Position zu eigen. Dabei wollte Schröder noch 2001, dass Deutschland sich am US-System beteiligt. Das war, bevor er auf der Gehaltsliste von Gasprom stand.
Angela Merkel will das Ganze hingegen zum Nato-Projekt machen. Die diskutiert seit fünf Jahren über ein Abwehrsystem, konnte sich bisher aber nicht auf ein konkretes Projekt einigen – auch, weil ein effektiver Schirm für Europa sehr teuer wäre. Unterdessen ist der technische Vorsprung der Amerikaner weiter gewachsen, die Teile ihres Systems schon erproben. Wenn sie dennoch meinen, erst 2011/12 abwehrbereit zu sein, kann man sich vorstellen, wie lange es dauern würde, ein Nato-System einzurichten. Kein Wunder also, dass Merkel das amerikanische zu einem Nato-Projekt umwidmen möchte. Die Frage ist, ob die Europäer bereit sind, dafür tief in die Tasche zu greifen. Denn das Prinzip „alle dürfen mitreden, und die Amis bezahlen“ wird in Washington kaum auf Gegenliebe stoßen.
Aber so weit ist die Debatte ohnehin nicht. Obering wird erst einmal versuchen, Berlin davon zu überzeugen, dass Abwehrstellungen in Polen und Tschechien technisch nicht geeignet sind, russische Raketen abzufangen.
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